Eine unwiderstehliche Ballettkomödie
Alexei Ratmanskys „Buckliges Zauberpferdchen“ mit dem Mariinsky-Ballett in Baden-Baden
In Alexei Ratmanskys neuer Fassung des „buckligen Pferdchens“, der Eröffnungsvorstellung des diesjährigen Mariinsky-Festivals, regiert die Komik: die einzigen Momente, in denen Ernst aufkommt, sind die Gruppenszenen sowie einige Variationen, in denen die Solisten technische Höchstleistungen in atemberaubender Geschwindigkeit aneinander reihen – wobei das Zirkusähnliche daran durchaus gewollt ist. Und selbst in solchen Passagen passiert es, dass Leonid Sarafanov seine fußbrecherische Petite Batterie unterbricht, so tut, als hätte er sich vertan, fröhlich seinem Publikum zuwinkt und von vorne beginnt. Die Mischung von Klassik und Klamauk durchzieht das ganze Stück, in dem die Tänzer zuweilen ein paar Jazzschritte in einen Pas de deux mischen oder der Zar und sein Kämmerer ihrer Freude in einem die Klassiker parodierenden Tänzchen Ausdruck verleihen.
Ratmanskys getanzte Fassung des komplizierten russischen Märchens vom buckligen Pferdchen ist durchaus vergnüglich, wenn auch nicht immer ganz nachvollziehbar erzählt: Vor allem in der an Balanchines „Prodigal Son“ erinnernden Anfangsszene, in der Ivan der Dummkopf (Leonid Sarafanov) von seinem greisen Vater und seinen Brüdern ausgegrenzt wird, verdeutlicht sich trotz üppiger Pantomime der Zusammenhang kaum; die Bedeutung der einzelnen Tänze in den Gruppenszenen bleibt auch nach Studium der Handlungszusammenfassung obskur. Das anfangs etwas zusammenhaltlose Stück gewinnt allmählich an Kontur, als Ivan mit der grotesken Figur des sich aufplusternden Zaren sowie seinem schleimigen Kammerdiener zusammentrifft, der Ivan aus Eifersucht ewigen Hass schwört. Islom Baimuradov als heuchlerisch-trippelnder und diabolisch-mörderischer Kammerdiener zeigt hier beachtliches komisches Talent und es gelingt ihm, seine Figur vor dem drohenden Absturz in den Slapstick zu bewahren. Auch Roman Skripkin als heiratswütiger Zar beweist, wie gut die Kompanie mit kompetenten Charakterdarstellern ausgestattet ist. Alina Somovas umschwärmte Zarewna, die statt des Zaren schließlich den mit Hilfe des buckligen Pferdchens (Grigory Popov) in einen Zarewitsch verwandelten Ivan heiratet, trifft genau die richtige Mischung aus strahlender Unschuld, Koketterie und dem Eigensinn, sich ihren Bräutigam selbst zu erwählen. Leonid Sarafanov schließlich gibt ebenso überzeugend den unbedarften Ivan, der fast ohne es zu merken von einer Gefahr in die nächste stolpert und sich wie ein Kind über jedes ihm zufallende Glück freut.
Vieles an Ratmanskys Stück erinnert an moderne Cinderella-Versionen, nicht zuletzt Rodion Schtschedrins sehr tanzbare Musik (Dirigent: Alexei Repnikov), die stellenweise Prokofjew anklingen lässt, an anderen Stellen wieder den Strawinsky von „Petruschka“. Maxim Isayevs Bühnenbild besteht aus einfachen, einfarbigen geometrischen Formen und Projektionen ähnlicher Figuren auf die Rückwand und ist ebenso wie die Kostüme in grellen Farben gehalten. So erhalten vor allem die Gruppensequenzen – der Tanz der Feuervögel, der Tanz auf dem Platz in der Hauptstadt und der Tanz der Meeresbewohner – ein starkes optisches Gewicht. Man hätte sich in diesen Szenen allerdings gewünscht, dass auch die Solisten tänzerisch stärker zur Geltung kämen, beispielsweise Yekaterina Kondaurovas charismatische, doch leider recht statische Meeresgöttin.
Wenngleich wenig an diesem Werk völlig neu ist, so beweist Ratmansky trotz mancher Klischees doch choreografischen Einfallsreichtum in seiner übergangslosen Mischung von Klassik und vollkommen moderner Gestik sowie in seiner Erfindung origineller Bewegungssprachen für einzelne Charaktere und Gruppen. Und leistet in dieser Zeit, in der gute neue Handlungsballette händeringend gesucht werden, einen willkommenen Beitrag zum wachsenden zeitgenössischen Mariinsky-Repertoire, den das Publikum mit Begeisterung aufnahm.
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