„Chopiniana“ vom Mariinsky Ballett

„Chopiniana“ vom Mariinsky Ballett

Petipa und Postmoderne

Die Gala des Mariinsky-Balletts in Baden-Baden

Seit Jahren schon tendieren die Abschlussgalas der Baden-Badener Saison des Mariinsky-Balletts zu einer Kombination klassischer Gala-Divertissements mit längeren Stücken. In diesem Jahr hat sich die Vorstellung durch den Wegfall jeglicher alleinstehender Soli und Pas de deux ganz vom üblichen Gala-Format emanzipiert.

Baden-Baden, 28/12/2013

Seit Jahren schon tendieren die Abschlussgalas der Baden-Badener Saison des Mariinsky-Balletts zu einer Kombination klassischer Gala-Divertissements mit längeren Stücken. In diesem Jahr hat sich die Vorstellung durch den Wegfall jeglicher alleinstehender Soli und Pas de deux ganz vom üblichen Gala-Format emanzipiert und wurde fast zu einem getarnten gemischten Ballettabend. Diese alternative Galaform hat den Vorteil, dass man regelmäßig kürzere Stücke aus dem Mariinsky-Repertoire zu sehen bekommt, die im Baden-Badener Programm, das sich hauptsächlich auf die vom Mariinsky-Ballett auf unvergleichbarem Niveau getanzten abendfüllenden Petipa-Klassiker stützt, sonst zu kurz kommen würden.

Bei der diesjährigen Gala waren dies unter anderem Mikhail Fokines „Chopiniana“ aus dem Jahr 1909 (heutige Fassung) und William Forsythes „The Vertiginous Thrill of Exactitude“ aus dem Jahr 1996. Trotz der Schnelligkeit und Präzision der fünf Solisten (unter denen sich besonders der Koreaner Kimin Kim durch seine hohen Sprünge hervortat) schienen sich die lyrischen Mariinsky-Tänzer in der zackigen Forsythe-Postmoderne nicht ganz zuhause zu fühlen. Zur Höchstform lief das weibliche Corps de Ballet hingegen in „Chopiniana“ auf, wo die in wunderbar schwebenden Seidentüll gehüllten Sylphiden mit den weichen, lebendigen Armen – angeführt von Maria Shirinkina und dem ehemaligen Royal Ballet-Tänzer Xander Parish als Poet – ihre weltweit wohl einzigartige Synchronität und Musikalität und die Leichtigkeit und Flüssigkeit des hohen Petersburger Stils demonstrierten.

Der zweite Solist Anton Pimonov steuerte mit seinem im März diesen Jahres uraufgeführten Werk „Choreographic Game 3x3“ zu Musik von Johann Peter Pixis ein Divertissement für drei Paare bei. Dieses erinnerte zuweilen an Angelin Preljocajs ebenfalls mit der expressiven Yekaterina Kondaurova und Konstantin Zverev besetztes Ballett „Le Parc“, das die Kompanie im letzten Dezember in Baden-Baden zeigte, vor allem in den kurzen Soli einzelner Männer und Frauen vor den prüfenden Augen der sitzenden Vertreter des anderen Geschlechts. Die Ästhetik ist allerdings bei Pimonov fast durchgehend klassisch – nur ein abgeknickter oder kreisender Fuß werden zuweilen als Zeichen für Modernität eingestreut –, was unter anderem in der Schlusspose zum Ausdruck kommt, in der Kondaurova neben den auf dem Boden liegenden Tänzern aufrecht sitzt, mit Armen in der fünften Position.

Galastimmung kam schließlich im dritten Teil des Abends auf, der aus einer Zusammenstellung von Ausschnitten aus „Le Corsaire“ (Pjotr Gusev nach Marius Petipa) bestand – man sah dort den berühmten „Grotten-Pas de trois“ aus dem zweiten Akt zwischen Medora, Conrad und dem Sklaven Ali, eingerahmt von Passagen aus dem „Jardin animé“ aus dem dritten Akt. Hier durfte man gleich zwei Medoras bewundern, die langgliedrige, glamouröse Alina Somova und die technisch höchst souveräne Viktoria Tereshkina, die unter anderem durch eine Aneinanderreihung doppelter Fouettés brillierte. Vladimir Shklyarov als Ali und Andrei Yermakov als Conrad überzeugten durch die mühelose Virtuosität, die zu jedem Gala-Abschluss gehört. Und als sich die beiden Medoras mit ihren Begleitern und dem abermals perfekt synchronen Corps de Ballet vor Teimuras Murwanidses phantasievollem Bühnenbild aus Zwiebeltürmen, Schmetterlingen und Blumengirlanden zur Schlusspose gruppierten, bekam man Lust, in einer der nächsten Baden-Badener Saisonen den ganzen Mariinksky-„Corsaire“ zu sehen.

Besuchte Vorstellung: 26.12.2013
 

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