Neues aus Salzburg
Armin Frauenschuh wird Managing Director am Landestheater
Am Anfang von „Marilyn“ hört man, was Monroes letzter Psychoanalytiker zu deren Tod an Anna Freud schreibt. Sein Satz „Die Erinnerung schmerzt!“ bleibt haften. Als sich der Zwischenvorhang hinter ihm hebt, evoziert das Schwarz der offenen Bühne ein Filmstudio: Marilyn tritt auf, singt mit dem signifikanten „I Wanna Be Loved by You” aus „Some Like It Hot“ einen ihrer größten Hits. Dabei umgeben sechs Männer sie mit Tap-dance-Elementen in einem durch Balletttechnik aufgewerteten Revuetanz. An dessen Ende stehen Norma Jeane (ursprünglicher Vorname der Monroe) und die aus ihr entwickelte Kunstfigur nebeneinander: Norma Jeane als Kind neben der Tänzerin mit Spitzenschuhen und perfektionierten Posen. Das Kind rennt weg vor dem Ansinnen, es mit blonder Perücke und Kleid zum Star zu stilisieren. Dr. Greenson bleibt während des Stücks anwesend. Am Ende des Abends, wenn auch Marilyn am Ende ist, tanzt der Psychiater ein letztes Solo, das sagt: “Ich sehe, was ich nicht sehen will, wenn ich nur zusehen und nicht helfen kann.“
Doch Marilyns Tod ist nicht das Letzte: Sie steigt aus ihrem Grab, lächelt rätselhaft und entfernt sich aus einem Theater, das nun von ihren Kopien virtuos bevölkert wird. Der Mythos lebt! In diesen Rahmen hat Peter Breuer mit seinem Autor und Dramaturgen Andreas Geier eine Menge Material gedrängt. Breuer, den die vielen Seiten dieser Frau interessierten, zeigt die andere Seite der Hollywood-Ikone, indem er Norma Jeane neben Marilyn als deren privates Ich auf die Bühne bringt. Für ihre Regisseure steht stellvertretend Billy Wilder. Die Vielzahl ihrer Ehe- und Liebespartner wird in dem Baseball-Spieler Joe DiMaggio summiert ... und in Arthur Miller, von dem sie sich in seinem Drehbuch für „Misfits – Nicht gesellschaftsfähig“ (Regie: John Newston) an die Welt verraten fühlt. Exemplarisch gehören zu den sie umgebenden Personen auch ihre Mutter Gladys Baker, Paula Strasberg, Clark Gable und Robert Kennedy. Dazu kommen, verteilt auf mehrere Tänzerinnen, Filmrollen der Monroe sowie Heere von Fotografen, Showgruppen und Partygesellschaften. Wichtigster Faktor für das Gelingen dieses Balletts ist Anna Yanchuk, Breuers Startänzerin aus Kiew, die Marilyn Monroe in allen Gesten, Blicken und Bewegungen typmäßig ganz nahe kommt. So fallen die Übergänge von echten Fotostrecken oder Filmsequenzen mit Marilyn Monroe zu neuen, die Thomas Zengerle mit Anna Yanchuk weiter entwickelt hat, in dieser Multimedia-Show kaum auf. Auch der durchgehende Soundtrack von Franz-Josef Krümmer, einem vom Big-Band-Jazz kommenden Pianisten, fließt in das homogene Resultat ein, dessen spannende Darstellung die wandelbare Bühne von Dorin Gal geschmackvoll und originell ermöglicht.
Obwohl Peter Breuers Kompanie auf hohem Niveau bestens trainiert ist, stören seine choreografischen Stereotypen manchmal. So bleibt die erste Fotosession trotz ihrer sexuellen Deutlichkeit steril. Nur Anna Yanchuk strahlt, umkreist von männlicher Begierde, auch in der Formalisierung weibliche Vitalität aus. Das Tragische ihrer Figur tritt bei „Diamonds Are the Girl´s Best Friends“ hervor, und wie die Monroe, mit ihrer Hysterie schon einem Nervenkollaps nah, ihr schönstes Lächeln aufsetzt und die Nummer doch zuende bringt, das hat Format, auch choreografisch! Nach ihrem Zusammenbruch verzweifelt, wird sie zur tablettensüchtigen Furie, während Marilyn Superstar in vermutlich vorgetäuschter Freude auf der Leinwand flimmert. Ihr Kampf darum, sich der Öffentlichkeit in vermarktbarem Glamour zu präsentieren, nimmt wieder Fahrt auf, bis ihr Pas de deux mit Arthur Miller (Marian Mescaros mit eleganter Zuwendung) zu ruhigerer Musik etwas wie häusliches Glück hineinbringt – eine Szene, die durch die erstmalige Echtheit ihrer Gefühle berührt.
Mit einem Stern auf dem Walk of Fame fühlt Norma Jeane sich wohl. Ihre vielen Marilyns verrichten als Sexsymbole sogar Hausarbeiten. Doch ihr Traum von einem Baby endet mit dessen Verlust, die Einweisung in eine Anstalt folgt. Dort sieht sie sich als Kind, das mit einer ebensolchen Glitzerpuppe spielt, wie Marilyn sie später selbst wird. Brutal zwingt ihre Mutter sie und Norma Jeane (ausdrucksstark Kristina Kantsel) in Spitzenschuhe, bis beide in weißem Kleid auftreten und sich einander vergewissern müssen. Gute Bilder gelingen Breuer, wenn Marilyn nach ihrem Sträuben selbst den Ton zur nächsten Show angibt und nun in schwarzem Kleid über die liegende Reihe weißer Matrosen tanzt. Doch nachdem sie bei Billy Wilder eine Szene mit Clarke Gable gesprengt hat, flüchtet sie sich zu Dr. Greenson, nimmt Psychopharmaka, trinkt und quält sich zu einem letzten Fototermin. Nach ihrem nur noch gehauchten „Happy Birthday“ für den Mr. President deckt Robert Kennedy sie mit dem Sternenbanner zu. Obwohl Peter Breuer bei seiner Interpretation der Psyche Marilyn Monroes für deren Darstellung oft gleich zur ersten Lösung griff, ist seine „Marilyn“ ein schmerzlich unterhaltsames Vergnügen, das uns die Hollywood-Ikone näher bringt und ihr gerecht wird. Anna Yanchuk, jederzeit ein Eye-catcher, wie auch die darstellerischen Leistungen der anderen Tänzer in diesem kompakt erzählten Ballett sorgten für lang anhaltende Begeisterung des Publikums.
Nächste Vorstellungen am 18. und 30. Dezember 2009, am 3. und 12. Januar, am 10. und 20. Februar sowie am 18. März 2010.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments