MAXimale Körperbeherrschung

Batsheva Dance Company mit „MAX“ beim Kampnagel-Sommer-Festival

Hamburg, 28/08/2009

Er war ein Novum auf Kampnagel: Der Vorhang. Wo sonst in den ehemaligen Maschinenhallen eine offene Bühne gähnt, verschließt schwarzer Stoff den Blick. Nicht ohne Grund: Als er aufgeht, werden zehn Tänzer sichtbar – wie in Marmor gemeißelte Statuen in ihrer Pose verharrend, in zitterfreier Balance im tiefen Plié in der zweiten Position die fünf Frauen, die Männer aufrecht, alle mit dem Rücken zum Zuschauerraum. Noch ohne Musik fallen die Frauen aufs linke Knie, mit abgehackten Gesten wie Automatenpuppen zucken sich Tänzer wie Tänzerinnen Schlag auf Schlag in ein fast magisches Unisono, dessen Aggressivität durch geschmeidige, schlangengleiche Bewegungen gebrochen wird. Die Senkrechte kippt dabei immer wieder aus der Mitte – wird blitzschnell abgefangen, gedreht, gewandelt, und wieder neu sortiert. Wie schon Emio Greco bei der Eröffnungsveranstaltung des Sommerfestivals, so steht auch für Ohad Naharin, Choreograf und Chef der Kompanie, der ewige Wechsel zwischen absolutem Gleichklang und der Individualität des Einzelnen im Vordergrund. Da geht es um Schmerz und Leid, aber auch um Glück und Freude, Verschmelzen und Abgestoßenwerden.

Seine zehn Tänzer erfüllen diesen Anspruch aufs Allerfeinste: Sie tanzen sich mit maximaler Körperbeherrschung die Seele aus dem Leib, sehr verschieden in Statur und Ausdruck, und doch mit einer Einheit und Perfektion, wie sie nur in harter Arbeit erworben werden kann. Ständig wechselnde Bewegungsspektren entwickeln sich, wenn die Gruppe – einzeln, zu zweit, zu dritt, zu fünft, alle zusammen – in einer Fantasiesprache immer wieder in Zehnerrhythmen abgezählt wird (Musik-Produktion und Mix: Avi Yona Bueno). Unerwartet witzig eine Streitszene zwischen zwei Frauen, die fast an einen Hennenkampf erinnert, so sehr „hacken“ die beiden Köpfe am Schluss aufeinander los. Und immer für eine Überraschung gut die Lichtregie, die die Tänzer mal in Rot von rechts und Grün von Links, Blau oder Orange taucht, was den vielen körperlichen Bewegungsfacetten zusätzliche Dynamik verleiht. Zum Schluss sammeln sich alle zu einer gestaffelten Gruppe (hinten vier, davor drei, davor zwei, davor eine) und schreien einen Sprechgesang aus sich heraus. Was die Welt von heute ausmacht und für so viel Verstörung sorgt, der Widerspruch zwischen Ich und Du, Wir und Sie, zwischen Freiheit und Zwang, Kollektiv und Individuum – hier ist er Bewegung geworden. Nix wie hin – wer noch Gelegenheit dazu hat.

Vorstellungen am 27. und 28. August, jeweils 21 Uhr.

www.kampnagel.de

www.batsheva.co.il

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