Rocky Horror Beethoven

Uraufführungen von Bridget Breiner, Robert Glumbek und Kevin O’Day

Mannheim, 02/02/2009

Wir Europäer haben viel zu viel Respekt vor Beethoven. Wo Choreografen wie Uwe Scholz oder Hans van Manen seine musikalische Strukturen analysieren, wo sie mit ihren Balletten zu Beethoven-Musik in klaren Linien und abstrakter Eleganz verharren, da tanzen die Amerikaner auch gerne mal was Lustiges zum guten alten Ludwig van, Motto: Roll over Beethoven. Einen ganzen Abend mit drei Uraufführungen widmet das Mannheimer Ballett nun dem sonst eher selten vertanzten Komponisten.

Den Anfang macht die Stuttgarter Solistin Bridget Breiner, die sich mit ihren „Zeitsprüngen“ im Kunstmuseum und mit „Sirs“ bei der Noverre-Gesellschaft als interessante junge Choreografin etabliert hat. Zu Beethovens drittem Klavierkonzert in c-Moll lässt sie in „Hold Lightly“ acht Tänzer mit Blecheimern antreten und vertändelt bei all ihrer schönen Musikalität den ersten Satz in beschaulicher Belanglosigkeit. Das ändert sich schlagartig im Largo mit einem traumschönen Pas de deux, wo der Mann versucht, die Frau aus der Tiefe ihrer Erinnerungen zurückzuholen. Minutenlang tanzen die beiden am Rande eines abgegrenzten Quadrates, sie drinnen und er draußen, aber schwebend, fließend und ungemein ausdrucksvoll. Breiner beherrscht die Kunst, in wenigen Bewegungen eine Geschichte anzudeuten. Das Ballett endet verspielt mit weiteren Eimern, der quadratische, mit Tuch bespannte Metallrahmen hebt und senkt sich allerdings ein wenig zu oft (Bühne: Jürgen Kirner).

Nach der etwas trockenen Modern-Dance-Etüde „Verwoben“, choreografiert vom ehemaligen Mannheimer Tänzer Robert Glumbek zu Beethovens Cello-Sonate op. 69 und ebenso wie der Rest des Abends auf flacher Sohle getanzt, war dann der Mannheimer Ballettchef Kevin O’Day dran. Mit Beethovens Fünfter Sinfonie hat er sich nach Shakespeares „Hamlet“ beim Stuttgarter Ballett gleich den nächsten großen Brocken vorgenommen. Immer wenn das berühmte, pochende Anfangsmotiv erklingt, zeigt uns der Lichtspot eine Amazone, die mit wehenden Haaren an einer grau gewellten Kletterwand hängt. Vier Podeste mit ebenso gewelltem Boden werden laut krachend auf der Bühne herumgeschoben und zusammengekoppelt, dort werfen sich die Tänzer neben- und aufeinander, angetan wie eine zu Vampiren mutierte Gaukler-Truppe. Die Kombination der aufsässigen Rocky-Horror-Kreaturen zur erhabenen Beethoven-Musik mag der Choreograf als originellen Einfall betrachtet haben, allein er bleibt der einzige des Stücks. O’Day wendet sich mit „Landscape No. 5“ nicht nur bewusst vom sinfonischen Ballett ab, er verweigert sich leider auch der Musik und jeglicher choreografischer Idee. Zu dem sinnlosen, müden Herumhüpfen und -schieben hätte er genauso gut Pop- oder Barockmusik laufen lassen können – das formidable Mannheimer Orchester unter Günter Albers wirkt geradezu verschwendet. Ein klein wenig erinnert das Chaos auf der Bühne mit seinen anderthalb mythologischen Anspielungen und der wilden Gruppendynamik an William Forsythes zwanzig Jahre altes „Impressing the Czar“, aber wo es dort zackig und wunderbar absurd zugeht, da schmuddelt O’Days Choreografie unsauber vor sich hin. Wenn die mystisch einherschreitende Diana-Figur ihren Pfeil in die Kulissen abschießt, dann wünscht man fast, sie möge den Choreografen treffen – noch nie ist uns Beethovens Fünfte so unendlich lange vorgekommen.

www.nationaltheater-mannheim.de

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