Béjarts Erbe
Julien Favreau übernimmt die Leitung des Béjart Ballet Lausanne.
Maurice Béjarts Choreografie „Le presbytère n’a rien perdu de son charme, ni le jardin de son éclat“ wurde 1996/97 in Lausanne und Paris uraufgeführt. Sie war von Anfang an ein Bestseller. Bald einmal wurde der surrealistische französische Titel aufs englische „Ballet for life“ verkürzt. Über 350 Mal kam das Stück bis heute weltweit auf die Bühne. Nach Béjarts Tod im November 2007 verschwand es eine Zeitlang vom Spielplan. Jetzt feierte „Ballet for Life“ in Zürich erneut Premiere im Theater 11. Für die Stadt ein Ereignis, denn zu Béjarts Lebzeiten war die Truppe nie hierher gekommen. Das Publikum spendete riesigen Applaus, bis hin zu stehenden Ovationen.
Den stärksten Applaus gab es für Gil Roman. Er ist seit Béjarts Tod der künstlerische Leiter der Truppe und scheint diese, nach offiziell widerlegten Anwürfen im letzten Jahr, geschlossen hinter sich zu haben. Roman hat inzwischen mindestens 15 Béjart-Choreografien ins Tournee-Repertoire zurückgeholt. Und bei der Zürcher Premiere von „Ballet for Life“ tanzte er auch die Hauptrolle des Zeremonienmeisters (oder was der Part auch immer bedeutet) - so wie vor rund 13 Jahren bei der Uraufführung. Der alterslos wirkende, schmale, dunkelhaarige Star verfügt über geradezu rätselhaft wirkende Energien. Ob Gil Roman weitere Male selbst auftreten wird auf der kommenden Tournee, ist noch offen.
„Ballet for Life“ hat einen traurigen Hintergrund. Es handelt vom Tod, verursacht durch Aids: Er raffte 1992 Béjarts damaligen Lieblingstänzer Jorge Donn ebenso dahin wie kurz zuvor den Sänger der Rockgruppe Queen, Freddie Mercury. Beide waren noch jung. Die Hits der Queen bilden nun die Basis von „Ballet for Life“, mehrmals unterbrochen von Mozart-Musik. Die Queen und Mozart, eine an sich krasse Mischung, aber für Béjart typisch. Er könne sich gut vorstellen, sagte der Meister seinerzeit, dass sich im Jenseits Freddie Mercury mit Mozart ans Klavier setze.
Julien Favreau tanzte in Zürich diesen Mercury. Pikanterweise gleicht er äußerlich noch mehr dem verstorbenen Jorge Donn. So schillert es denn unablässig mehrdeutig in diesem Ballett. Der Tod schlägt zu, und gleichzeitig entsteht ringsum neues Leben. So das Hauptthema in den üppigen Bildern des Stücks. Neben älteren Mitwirkenden wie Domenico Levrè, Elisabet Ros oder Kateryna Shalkina stürmten viele Neue, Jüngere die Bühne. Einige tanzten in Zürich erstmals in „Ballet for Life“.
Die Choreografie ist gegenüber der Uraufführung kaum verändert. Der Tanz bewegt sich quer durch alle Stile - auf Spitzenschuhen, aber auch auf nackten Füßen, in Sneakers oder auf Highheels. Ein Engel trägt sogar Fernsehapparate unter den Sohlen. Von einigen Peinlichkeiten bleiben wir weiterhin nicht verschont: Dazu gehört die durchsichtige Herrenunterwäsche, vom 1997 ermordeten Gianni Versace kreiert, ebenso wie ein Videofilm mit Jorge Donn als Clown de Dieu und Kreuzigungsopfer.
„Ihr habt uns gesagt: Macht Liebe, nicht Krieg. Wir haben Liebe gemacht. Warum erklärt uns die Liebe den Krieg?“: Dieser auf Aids gemünzte Satz aus „Ballet for Life“ klingt heute, angesichts der medizinischen Fortschritte gegenüber der Krankheit, nicht mehr so aufwühlend. Im Ganzen aber ist das Stück ein hinreißend spektakuläres Gesamtkunstwerk geblieben, voll Glanz und Witz und Trauer. Bis hin zum gleißenden Schlussbild zum Queen-Song „The show must go on“.
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