Tanz der Generationen

Eine Gala zum 60. Geburtstag von Reid Anderson

oe
Stuttgart, 01/04/2009

Hat es das je zuvor in der Ballettgeschichte gegeben – eine Gala wie die zum 60. Geburtstag des Stuttgarter Ballett-Intendanten? Wie war das 1878, als Petipa in St. Petersburg sechzig wurde? Da hatte er gerade im Vorjahr „La Bayaderka“ kreiert. Und bei Balanchine 1964 in New York? Der jagte damals seine Gottschalk-„Tarantella“ über die Bühne des City Center. Und Béjart in Brüssel? Der arbeitete 1987 in Lausanne an seinem „Souvenir de Leningrad“. John Cranko war es indessen nicht vergönnt, seinen Sechzigsten zu feiern, denn da war er bereits 14 Jahre tot. Nicht so sein Nachfolger. Reid Anderson erfreut sich zu seinem Sechzigsten mit einer funkennagelneuen Hüfte blühender Gesundheit. Und sieht sich von seinen Kollegen aus aller Welt gefeiert, von Hamburg, Berlin, München und Frankfurt, von Amsterdam und Den Haag, London, Paris, Toronto und Sydney – von seinen Stuttgarter Kollegen natürlich und von den Stuttgarter Fans sowieso. Sogar ein paar Veteranen ließen es sich nicht nehmen, ihm persönlich zu gratulieren, aus Augsburg Yseult Lendvai (leider ohne Robert Conn), Robert Tewsley aus London, und Julia Krämer erinnerte nachdrücklich daran, was für eine Margaret-Thatcher-Alternative uns mit ihr verlorengegangen ist. Sogar Ivan Cavallari aus dem fernen Perth, gleich um die Ecke bei den Aborigines, ließ es sich nicht nehmen, mit dabei zu sein. Und vom Pragsattel war Eric Gauthier mit seinen Theaterhaus-Slapstickern dabei. Nur das nahe Karlsruhe versagte sich der allgemeinen Feierei.

Und so wurde aus der Gala ein viereinhalbstündiger Maraton-Tanz der Generationen – eingeleitet von den Youngstern der Cranko-Schule, die in immer neuen Wogen wie ein Tsunami über die Bühne preschten, und beendet mit den ehemaligen Pionieren der ersten Stunde, Marcia Haydée und Egon Madsen, die als Philemon und Baucis in Hans van Manens köstlicher „Sonntag“-Studie vorführten, wie sich denn Tänzer ihr Leben „danach“ im Ruhestand vorstellen. Und als ob das nicht genug war, schwoften die Stuttgarter dann noch in bester Mardi-Gras-Laune samt Blaskapelle durch das Vieux Carré am Eckensee und ließen am Stuttgarter Broadway die Luftballons platzen und die Papierschlangen aus dem Schnürboden regnen.

Und zwischendurch wurde auch noch richtig getanzt. Wunderschön die Erinnerung an Cranko, mit der von Sue Jin Kang und Jason Reilly in die Luft gezeichneten „Legende“. Aber dann müsste man sie eigentlich alle nennen – sogar Maria Eichwald war wieder gesund geworden, um mit Friedemann Vogel in Kyliáns „Bella Figura“ zu glänzen. Bridget Breiner präsentierte ihre Extraklasse, Filip Barankiewicz sahnte mit Cauwenberghs Garçon ab, Thomas Lempertz ließ es sich nicht nehmen, mit Ivan Gil Ortega und Alexander Zaitsev ihr Drei-gleich-eins-Solo zu stemmen, Jiří Jelinek demonstrierte seinen böhmischen Tänzeradel, und selbst Marijn Rademaker, vor einer Woche in Essen noch gehandicapt, war mit von der Partie, Katja Wünsche und Alicia Amatriain konkurrierten miteinander und Douglas Lee sorgte dafür, dass wir wieder einmal bedauerten, ihn in jüngster Zeit so selten als Tänzer zu sehen. Und dass wir‘s nicht vergessen: nun ist auch Anderson bereits schulbildend geworden und hat in Tamas Detrich einen Vize herangezogen, der mit ähnlichem Charme wie er selbst das Programm moderiert.

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern