Arila Siegert inszeniert und choreografiert Rameau

Ballettmusiken als „Erinnerungsstücke“

Düsseldorf, 29/01/2010

Nach dem großen Erfolg von Regisseur Christoph Loys Monteverdi-Opernzyklus an der „Deutschen Oper am Rhein“ Düsseldorf/Duisburg hatte gestern die erste Folge der Ballettopern von Jean-Philippe Rameau Premiere. Musikalisch stand nichts zu befürchten: die bestens bewährte „Neue Düsseldorfer Hofmusik“ unter Konrad Junghänel spielte wieder auf und stützte zuverlässig die vorwiegend sehr jungen Gesangssolisten (glanzvoll als die junge, schöne Argie: Anna Virovlansky, heiter und leicht als ihre Freundin Nérine: Iulia Elena Surdu, angemessen aufgeblasen als Richter Anselme: Adrian Sâmpetrean, mit großer Aura: Thomas Michael Allen als „Fee“ Manto, mozartisch exaltiert als Diener Orcan: Laimonas Pautienius, leider noch premierenfiebrig unausgeglichen als der Paladin Atis: Anders J. Dahlin).

Gespannt war man vor allem auf Arila Siegerts Regie und Choreografie, zumal die ausgesprochen witzige Einstudierung von Rameaus „Platée“ durch Andreas Baesler und Bernd Schindowski in Gelsenkirchen in der Region noch in bester Erinnerung ist (ganz zu schweigen von Rameau bei Festspielen wie in Avignon oder Glyndebourne). Gerade die häufig gestrichenen Ballettmusiken, so schwärmt der Dirigent, seien in Rameaus Opern „Erinnerungsstücke“ für das Publikum. Aber Siegert hebt sie bei dieser deutschen szenischen Erstaufführung der Oper von 1760 wenig prägnant gegen Arien, Duette und Chöre ab. Vielmehr setzt sie alle und alles ständig in Bewegung: da wandern und rotieren die weißen Wände ihrer Bühne auf der Bühne (Frank Ph. Schlößmann), werden via Projektionen bunt getüncht und vergrößert (Licht: Volker Weinhart) oder mit Live-Malerei (Helge Leiberg) floral bis frivol bekritzelt. Der junge Ritter Atis, der Argie liebt, die aber – wider Willen – ihren Ziehvater Anselme heiraten soll, führt eine Horde fröhlicher Gaukler im Gefolge - „Paladine“, wie er, die aus dem Raster gesellschaftlicher Konventionen tanzen; die sich die Freiheit nehmen, frei und glücklich in den Tag hinein zu leben. Ein bisschen wie Straßenkinder - kaum ein Hauch Commedia dell'Arte oder Bohémien - aber: nix da mit Joints rauchen, Alkopop schlürfen, Breakdancen oder wenigstens Hip-Hoppen. Munter hüpfen sie, samt schwarzem Köter, wie Pippi Langstrumpf & Co in ihren kindlichen Karnevalskostümen.

Für ihre Choreografie hat Siegert Tänzer aus der freien Szene der Region verpflichtet. Chor und Solisten dürfen gesittet und elegant zu Rameaus Tanzrhythmen und Tambourin-, Trommel- und Streicher-Klängen im angedeuteten Menuett schreiten, sich walzer-selig wiegen oder ein bisschen Boogie-Woogie wagen. Für das „felice finale“ sorgt der Pfiffigste von allen, der kahlköpfige, in sachliches Bühnenarbeiter-Schwarz gewandete und mit weiten weißen Vogelschwingen ausgestattete Deus ex machina, die „Fee“. Recht gepflegt geht also alles zu, adrett und bieder. Höfische Unterhaltung in der Residenzstadt von Rüttgers und Kraft, aber ohne stechende Seitenhiebe wie anno dazumal, als die französische Revolution über den Dächern von Paris waberte. Revolutionär ist an Siegerts Ballettopern-Inszenierung rein gar nichts. Kein Rameau für morgen. Kein Plädoyer für den Tanz. Ergo: kein Türenknallen wie bei Pina Bauschs aufmüpfigen Wuppertaler Gluck-Choreografien vor 35 Jahren. 

www.operamrhein.de

 

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