Simone Sandroni bleibt in Bielefeld
Choreograf Simone Sandroni verlängert seinen Vertrag bis 2022
Deutsche Erstaufführung von Guilherme Botelhos „Reise ins Verborgene“
Eine Reise in die Vergangenheit wird zur lustigen Rutschpartie und mühseligen Kletterei, zum jugendlich schwungvollen Gipfelsturm und gelegentlich auch zum Alptraum der Erinnerungen. Wie war das doch damals, etwa in den 1950er Jahren, als das Leben begann, die Liebes- und Lebenslust erwachte mit all ihren Komplikationen, Ungereimtheiten, Schwärmereien, sexuellen Lüsten und Nöten; als Louis Armstrong „What a Wonderful World“ röhrte, Frank Sinatra „I get a kick out of you“ schmetterte und Barbara Lynn „You’ll lose a Good Thing“ zwitscherte. Erinnerungen an das Gestern, an Kindheit und Jugend sind wahrlich alles andere als ein neues Tanztheater-Thema.
Aber wie Bielefelds Gastchoreograf Guilherme Botelho, der Brasilianer aus Genf, es „verpackt“ – auf spiegelglatt glitzerndem Parkett vor hoher Rampe von Gilles Lambert und mit ebenso leicht unwirklich glitzernden Kostümen von Coralie Sanvoisin -, das macht Laune. Selten ist Tanz derart unterhaltsam, ohne banal zu sein, ohne Klamauk. Und das Staunenswerteste: wer diese Tänzer – teilweise seit zehn oder mehr Jahren – kennt, erkennt manche kaum wieder. Brigitte Uray zum Beispiel kommt als verklemmter Teenie mit Pferdeschwanz, Brille und Zahnspangen daher, liefert eine filmreife Darstellung à la Neldel („Verliebt in Berlin“) ab und ist tänzerisch gelenkiger und eleganter denn je.
Wilson Mosquera Suarez, sonst eher ernst bis melancholisch, begeistert als fetziger Breakdancer mit pfiffiger Schiebermütze. Dirk Kazmierczak setzt Kopf, Hände, Arme, Beine, Po ein, um seine Vielseitigkeit als Entertainer unter Beweis zu stellen. Tiago Manquinho verdient sich eine Runde Scenenapplaus für seine (fast) vergebene Liebesmüh: unermüdlich schleppt er seine Angebetete Miranda Hania (!) die steile glitzernde Rampe hoch. Aber die Diva - à la Monroe – denkt nicht dran, sich oben an der Brüstung festzuhalten, sondern rutscht genüsslich, gelassen wieder nach unten. Malerische Posen sieht man da, völlig verkorkste, verdrehte Körper und jede Menge ganz normale Alltags-Körpersprache wie verschränkte Arme, Hände in den Hosentaschen, eine Haarasträhne aus dem Gesicht streichen. So wird ein anrührendes, witzig-wehmütiges Konterfei des plötzlich erinnerten Vergessens früherer Zeiten draus. Adrian Look mimt den Mann der Erinnerungen nachdenklich und sympathisch. Mit minutenlangen Ovationen feierte das Premierenpublikum die Tänzer und das Regieteam.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments