„15 Years Alive“
Gauthier Dance mit einer grandiosen Jubiläumsgala im Theaterhaus Stuttgart
„Out of the Box II“, der neue Abend bei Gauthier Dance im Theaterhaus
Mit seinem Charme verkauft uns Eric Gauthier einfach alles. „Out of the Box II“, der neue Abend von Gauthier Dance im Theaterhaus, verfeinert eine Experimentierwerkstatt à la „Junge Choreografen“ mit 3D-Kino, „Rock the Ballet“ und einer Prise Stuttgarter-Ballett-Nostalgie. Moderiert vom Chef persönlich, wird eine runde und unterhaltsame Sache daraus, vor allem weil Gauthier gleich zu Beginn den Fortbestand seiner finanziell bisher so schlecht abgesicherten Kompanie verkündigt. Die Verhandlungen stünden aussichtsreich, so der Kanadier.
Wie schon beim ersten Teil der Reihe vor eineinhalb Jahren probierten sich die Tänzer von Gauthiers Kompanie als Choreografen aus. Nach Marianne Illigs „Akari“, einer etwas naiv geratenen Japan-Fantasie, präsentierte William Moragas mit dem Solo „A Single Man“ das nachdenkliche Porträt eines Suchenden und ging dabei sensibel auf das Fließen der Minimal Music ein, inszenierte seinen ausdrucksstarken Protagonisten Rosario Guerra mit Sinn für Dramaturgie und Theatralik. Vielleicht war der beige Cordanzug etwas zu schick für den Anlass. Gleich mit zwei Stücken war Armando Braswell dabei, sein „Tight Spaces“ sperrt ein Paar in die arg deutliche Beziehungskistensymbolik zweier dehnbarer Wände ein, die zu allem Überfluss neongrün beleuchtet sind. Dafür wartet das freche Märchen „The Three Little Pigs“ mit einer schrillen Travestie auf, für die sich ein wölfischer Latin Lover aus mörderischen Gründen plump, aber putzig in ein Schweinchen-Girlie verwandelte. Garazi Perez Oloriz schließlich, die jüngste Tänzerin der Kompanie aus dem Baskenland, bewies mit „Rouge Lippen Fish“ Sinn fürs Surreale – sie griff eine Zeile aus Emir Kusturicas Film „Arizona Dream“ auf und zeigte Fische beim Träumen, durchaus eigenwillig und mit einem losgelösten, traumgeborenen Humor.
Großes Kino dann vor der Pause mit dem 3D-Film „Threesome“, der zwei Männer und eine Frau nach einer gemeinsamen Nacht zeigt. Regisseur Niko Vialkowitsch hatte das kurze Stück von Gauthier aufwendig eingefilmt, wobei der besondere Effekt der räumlichen Sehweise dem Tanz kaum neue Dimensionen eröffnet, wenn man ihn vorher und nachher multidimensional auf der Bühne bewundern kann. Eine kleine Enttäuschung war Gauthiers Pas de deux „Showtime“, den er im September für die Eröffnungsgala des Berliner Staatsballetts choreografiert hatte: die einzige Überraschung an der kurzen Carmen-Variation zu Bizet-Musik blieb der Tod des Toreros durch Carmens Hand. Auch „Dear John“, Gauthiers Hommage an den großen John Cranko, blieb zur pianistischen Begleitung von Francis Rainey seltsam vage. Natürlich denkt man beim Anblick seines original nachgebauten, erhöhten Ballettstuhls an Cranko, bei den Anspielungen auf „Jeu de cartes“ oder „Initialen R.B.M.E.“, natürlich rührt Egon Madsens Verkörperung des großen Choreografen. Aber was sollen die bedeutungsschwangeren Umarmungen, wann war Egon wieder Egon, oder war Egon immer John und Eric meistens Egon?
Was Gauthier wirklich kann, wenn er sich ab und zu darauf besinnt, dass Choreografie vor allem mit Bewegung zu tun hat, zeigte er in „Bang“, einem rasanten Duo für Garazi Perez Oloriz und Armando Braswell zum Live-Schlagzeug von Rainhardt Albrecht-Herz. Das war „Rap the ballet“ statt „Rock the ballet“, frech, spontan und jung, voll fetziger, origineller Bewegungsideen, brillant getanzt und mit der heftigen Live-Musik genau der richtige Weg, eine neue Zuschauergeneration für den Tanz zu begeistern.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments