Rote Rosen für Heinz Spoerli

Sein neues Ballett „Der Tod und das Mädchen“ ist ein Wurf

Zürich, 29/08/2010

Heinz Spoerli, Direktor des Zürcher Balletts, ist im Juli 70 geworden. Sein Intendant am Opernhaus, Alexander Pereira, drückte ihm nach der Premiere des neuen Ballettabends am 28.August 2010 einen dicken Strauß roter Rosen in den Arm. Das Publikum brach in Standing Ovations aus. Wegen des Geburtstags und wegen der Uraufführung von Spoerlis jüngstem Stück, „Der Tod und das Mädchen“, zu Franz Schuberts Streichquartett in d-Moll. Neoklassisch-modern choreografiert und wunderbar getanzt.

„Geh, wilder Knochenmann“, klagt die junge Frau im Gedicht „Der Tod und das Mädchen“ (1775) von Matthias Claudius, das Schubert zu Lied und Quartett inspirierte. Der Tod antwortet: „Gib deine Hand, du schön und zart Gebild!/ Bin Freund und komme nicht zu strafen./ Sei guten Muts! Ich bin nicht wild,/ Sollst sanft in meinen Armen schlafen!“ In Spoerlis Choreografie ist das die reine Lüge. Der schwarz gekleidete Tod sieht zwar verführerisch aus. Und Vahe Martirosyan wirkt hinreißend, wenn er sich geheimnisvoll im Hintergrund bewegt oder kraftvoll über die Bühne hechtet. Wenn er das Mädchen (fein und natürlich: Nora Dürig) umarmt, zum Tanz einlädt, in die Luft hebt, gibt er sich zunächst zärtlich-sanft. Wie ein Liebhaber. Doch dann wird sein Zugriff hart und härter. Der „wilde Knochenmann“ greift das Mädchen an die Gurgel, schleppt es in den Wald. Als die junge Frau schließlich reglos am Boden liegt, nimmt der Tod bereits sein nächstes Opfer ins Visier: einen Jungen aus einer Schar von Dorfschönheiten und ihren Verehrern, die leichtfüßig durch die Gegend streifen.

Die Spannung in diesem Totentanz, von Zürcher Ballett ebenso inspiriert getanzt wie von Spoerli choreografiert, prägt auch das Streichquartett. Bartlomiej Niziol, Anahit Kurtikyan, Karen Opgenorth und Claudius Herrmann – alle stimmführend beim Opernorchester Zürich – spielen hochexpressiv. Eine weitere Spannung bringt das Bühnenbild von Florian Etti, Spoerlis bevorzugtem Ausstatter. Es zeigt auf der Rückwand eine schöne grüne Hügellandschaft. Doch davor liegt ein Moor, aus dem sich unheimliche Dünste drehen. Der Himmel verfinstert sich immer wieder. Eine Stimmung, wie man sie aus den Romanen der englischen Schwestern Brontë kennt.

Heinz Spoerli gibt die Direktion des Zürcher Balletts nach der Spielzeit 2011/12 an Christian Spuck ab. Offensichtlich möchte er vorher noch das aktive Repertoire des Ensembles erweitern. Wohl deshalb umfasst der neue Ballettabend neben „Der Tod und das Mädchen“ zwei Wiederaufnahmen von Tanzwerken, die 1997 entstanden und in Zürich gut angekommen sind. Erstens Hans van Manens witzig-hitziges „Solo“ zu zwei Sätzen von Bachs Violin-Partita in h-Moll, das nach dem Willen des Choreografen gleich von drei Tänzern im Stafettenlauf absolviert wird. Zweitens Spoerlis „Nocturnes“, denen sechs der entsprechenden 21 Chopin-Stücke zugrunde liegen.

Heinz Spoerlis nächste Eigenkreation: Ein Ballett zu Gustav Mahlers „Das Lied von der Erde“. Die Uraufführung in Zürich soll im April 2011 stattfinden. In der Zwischenzeit stehen „Raymonda“, „Und mied den Wind“, „Le Sacre du Printemps“, „Wäre heute morgen und gestern jetzt“ sowie weitere Spoerli-Choreografien auf dem Programm. Dazu kommen Tourneen im Ausland und die Arbeit mit dem Junior Ballett. Von Altersruhe bei Spoerli keine Spur!

www.opernhaus.ch / www.spoerli.ch

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