Tabula Rasa in Köln
Aus für Richard Siegal und sein Ballett of Difference
Stephanie Thiersch choreografiert für das MichaelDouglas Kollektiv
Ein grellrotes Seil ist das einzige Utensil des Abends. Anfangs lose am Bein eines Tänzers, überspannt es am Ende die Bühne und bildet ein Geflecht von wirren Überschneidungen, Verknotungen und damit Gefahrenpunkten: Ein aus den Bewegungen der Tänzer entstandenes Zufallsprodukt. „Unbekannte Größe“ heißt der Tanzabend des MichaelDouglas Kollektivs, in dem sich Stephanie Thiersch, Kölner Choreografin und Förderpreisträgerin des Landes NRW, in assoziativen Bildern mit dem Thema Unfall beschäftigt.
Anfangs ist der choreografische Blick noch auf konkrete Crash-Situationen gerichtet. Die Tänzerinnen und Tänzer krachen aufeinander, fallen und stürzen, gaffen auf imaginäre Unfälle oder schreien tonlos ihr Entsetzen heraus. Zu stark ersetzt in solchen Momenten eine überzogene Mimik und Gestik die tänzerische Ausdrucksfähigkeit. Besonders die artifizielle Bewegungstheatralik von Douglas Bateman konterkariert das inhaltliche Anliegen des Stücks. Für die Choreografin ist ein Unfall kein zufälliges Ereignis, sondern „Frucht einer Zeit, die von Akkumulation bestimmt ist“, so der Beipackzettel zum Stück. Um einzelne Momente aus dieser Anhäufung tänzerisch sichtbar zu machen, fährt sie die Zeit zurück und „entschleunigt“ die Bewegung der Tänzer oft bis zum Stillstand. Der Unfall wird zur poetischen Figur. Das Seil verbindet die Momentaufnahmen und choreografischen Miniaturen von Bewegung, Fallen, Stillstand und symbolisiert damit die phänomenologische Verdichtung der Zeit bis zum Knall, dem Unfall, der Katastrophe.
Thiersch inszeniert keinen abgerundeten Tanzabend, sondern versteht das Stück als Performance-Forschungsprojekt. So unvollkommen es manchmal wirkt, wirft es doch einen tiefen Blick hinter vordergründige Ereignisse. Es war der erste von vier neuen "One Week Stand"-Abenden des MichaelDouglas Kollektivs. „One Week Stand“, das ist eine Woche Probenarbeit mit wechselnden Choreografen und dann ab auf die Bühne. Das MichaelDouglas Kollektiv, ein Zusammenschluss ehemaliger Tänzer von Pretty Ugly Tanz Köln, setzt damit die erfolgreiche Serie fort, mit der sie im letzten Jahr den Übergang vom Engagement an den städtischen Bühnen in Kölns freie Tanzszene geschafft haben.
Termine im Mai: Bühne der Kulturen, One Week Stand, 12., 13. Mai
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