Für ‘n Appel und ‘n Ei
Zum Auftakt des 18. Internationalen Solo-Tanz-Theater Festivals in Stuttgart
Wie so oft stand das Ich im Mittelpunkt des diesjährigen Solotanztheater-Festivals, das Verhältnis zur eigenen Psyche und die Reise zum Selbst – mal abstrakt, mal arg verinnerlicht und zum Glück auch mal konkreter. Wenn man mit sich alleine tanzt, führt das wohl zwangsläufig dazu, dass man um sich selbst kreist. Die 15. Ausgabe des Festivals im Treffpunkt Rotebühlplatz war der aus Stuttgart stammenden Choreografin Tanja Liedtke gewidmet, die vor allem in England berühmt geworden war, als sie im jungen Alter von nur 30 Jahren in Australien bei einem Verkehrsunfall ums Leben kam.
Acht Stücke waren ins sonntägliche Finale gekommen, ausgewählt aus 18 Teilnehmern und über 250 Bewerbungen. Eine alte Bekannte fürs Stuttgarter Publikum war Emilia Giudicelli, ehedem Gründungsmitglied von Gauthier Dance, deren relativ tanzarme Performance „Question“ die fünfköpfige Jury aber ebenso wenig überzeugen konnte wie Annett Göhre mit der witzigen Performance „Nicht nur Eva, Rita auch“ aus der Abteilung „Spiel nicht mit dem Essen, Kind“. Die meisten Teilnehmer tanzten zu elektronisch knisternden, rhythmisch pulsierenden oder auch nervtötenden Beats, so auch das erstplatzierte Solo. Sowohl die amerikanische Choreografin Sidra Bell wie auch ihr koreanischer Interpret Moo Kim erhielten für „Grief Point“, also „Leidenspunkt“, die höchsten Lorbeeren, er für seine „einfühlsame und differenzierte“ Interpretation, sie für die „überraschenden Bewegungsabläufe“. Obwohl das stockende, in Posen statt Tanz dahinzögernde Stück zunächst so wirkte, als wolle es experimentell untersuchen, wie viele Blackouts man wohl in zehn Minuten Tanz unterbringen kann.
Sehr viel weniger prätentiös, dafür geheimnisvoll und theatralisch war das zweitplatzierte „The Beginning“ von Mischa van Leeuwen, der wie seine belgische Interpretin May Roest beim Rotterdamer Scapino-Ballett beschäftigt ist. Minimalistisch und doch stringent entwickelt der Niederländer aus einem Bild die intensive Szene eines Aufbruchs ins Neue. Einen zweiten Preis als Tänzer bekam mit der Begründung „größte Sensibilität und Sinnlichkeit“ der Japaner Yosuke Mino, Solist des kanadischen Royal Winnipeg Ballet, für sein bewegungsintensives Solo „Koji“. Obwohl er durch verschiedene Stimmungen und Ausdrucksarten ging, blieb seine ballettgrundierte Choreografie stets ausdrucksstark und wirkte bei all seiner Eleganz als Tänzer immer authentisch – auch choreografisch war das eigentlich der interessanteste Beiträge des Abends. Ahmed Soura aus Burkina Faso beeindruckte mit äußerstem Körpereinsatz bis hin zum geisterhaften Augenrollen; er gewann den dritten Platz als Tänzer. „Doroga“, russisch für „Der Weg“, gefiel sowohl der Jury (3. Preis für Choreografie) als auch den Zuschauern, die dem räumlichen eingeengten, seelisch überfließenden Selbstfindungstrip der Russin Ioulia Plotnikova den Publikumspreis verliehen.
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