Botschafterin auf Durchreise

Germaine Acogny mit Solo „Songook Yaakaar" zu Gast bei „Tanz!Heilbronn“

Heilbronn, 30/05/2011

In Kaftan und Turban betritt Germaine Acogny den Zuschauersaal des Komödienhauses, einen runden Korb in der Hand, erzählt sie, sie käme gerade vom Markt. Publikumsnah erkundigt sie sich nach Namen von Zuschauern, will wissen, ob der Name etwas bedeute. Wer nicht zufällig in der Nähe des netten Geplauders sitzt, versteht nur die Worte der Botschafterin des afrikanischen Tanzes, nicht aber die Antworten. Acogny, was soviel bedeute wie „Der Clan darf niemals verschwinden“, erzählt viel und tanzt wenig.

Ihre Soloperformance „Songook Yaakaar“ (sich der Hoffnung stellen) resümiert ihr Tänzerleben. Vom Stamm der Yoruba, ist sie senegalesischer und französischer Nationalität. Afrikanische Tänze hat sie von der Großmutter, einer Yoruba-Priesterin, gelernt, Ballett und Modern Dance in Paris und New York studiert, unter anderem war sie in Brüssel engagiert, beim Großmeister der klassischen Moderne Maurice Béjart. Mit technisch grandiosen Filmeinspielern zeigt sie Ausschnitte des afrikanischen Alltags: ekstatische Tanzrituale im Freien, den Gang durch enge Marktgassen, ihre Schüler beim Training mit kreisenden Hüften und wackelnden Pos, weiße Vögel, die vor dunklem Himmel schwirren, ein Bootskiel, das andere Ufer sucht. Meist Handkamera und schnelle Schnitte. Kleiner Gag am Rande: manche Filmbilder sind farbig, andere (aufgepasst: Symbolik) nur schwarz-weiß.

„Je suis de passage“, sagt sie und das deutsche Publikum kann die Übersetzung über der Bühne lesen: Ich bin auf Durchreise. Unterwegs hat sie wohl Bonmots aufgeschnappt wie: Wäre das Klima eine Bank, hätte man es gerettet. Flugs setzt sie sich ein Käppi auf und stimmt das Globalisierungslied an: „Und alle! Mondialisation!“. Samba, Karamba! Karibik-Party und Gospel-Feeling lassen grüßen. Das eigentliche Problem: Afrika sei sehr reich und gleichzeitig sehr arm. Aha… Irgendwann räumt die Kulturreferentin mit Tanzhintergrund ihr wichtigstes Möbel, den Allgemeinplatz sowie einen Tisch beiseite und zeigt auf einer Linie, quer über die Bühne, Bewegungsmuster, die schön anzusehen sind. Die wilde Ekstase wird gezähmt, Lokomotion sich wiederholender Schritte, rhythmisch in Form gebracht. Nicht nur den Mitmachzirkus, auch das Klischee der edlen Wilden weiß Acogny zu bedienen.

Seit 1968 gibt sie in Afrika Unterricht. Wenn stimmt, was Renate Klett in der Vorrede zum Solo der Grande Dame gesagt hat, dass ihre Schule, die „École des Sables“ die einzig seriöse auf dem schwarzen Kontinent sei, dann fragt man sich, bei allem Respekt für Mama Afrika, wo denn der Nachwuchs bleibt? Wenn es mal nicht der Markt der Eitelkeiten gewesen ist, auf dem die Choreografin shoppen war?

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