Abschluss einer Ära
Mit den Hamburger Ballett-Tagen endet die Intendanz John Neumeiers
Raffiniert ist das schon: Was John Neumeier von der Stadt Hamburg nicht finanziert bekommt, das lässt er sich vom Bund bezahlen. Dort hat der Hamburger Ballettchef für eine Juniorkompanie, die er schon seit vielen Jahren gründen möchte, mal eben 2,8 Millionen locker gemacht. Einige Tanzschaffende dürften vor Neid erblasst sein oder sich auch in die gegenteilige Richtung verfärbt haben, denn das ist immerhin ein größerer Betrag als ein Jahresvolumen des gesamten Tanzplans Deutschland und auch mehr als das, was die Stadt Hamburg in fünf Jahren davon abgekriegt hat. Wen kümmert bei einem so edlen Ansinnen die Kulturhoheit der Länder.
Um den pekuniären Überflieger zu rechtfertigen, siedelt man die neue Kompanie mit einem „Bundes-“ im Namen auf der Ebene nationaler Eminenz an. Der Hamburger Bundestagsabgeordnete Rüdiger Kruse: „Der Bund fördert Projekte, die für ganz Deutschland von Nutzen und Bedeutung sind. Dies ist hier der Fall.“ Wenig glücklich dürfte mit dem altbackenen Namen allein die Marketing-Abteilung des Hamburger Balletts sein – statt einem flotten „Hamburg Juniors“ oder „Hamburg 2“ trägt das Bundesjugendballett nun einen Namen, der fatal an die Bundesjugendspiele, an Turnhose und Ehrenurkunde erinnert. Beim sportlichen Wettkampf an den Schulen ist immerhin wirklich die Jugend zugange, keine 18- bis 23-Jährigen, auch stellt man sich unter dem neuen, staatstragenden Titel doch etwas Größeres vor als acht Damen und Herren.
Was ist eigentlich an der Hamburger Truppe neuer und nationaler als an der bereits bestehenden Münchner Juniorkompanie, wo man wenigstens so viele Tänzer wie Bundesländer hat und überhaupt ein Jahr früher dran war? Das Bundesjugendballett soll „die gesellschaftliche Relevanz des Tanzes verdeutlichen, gerade auch bei jungen Zuschauern“ – eine ehrenwerte Aufgabe, an der die Education- und Outreach-Programme an Stadt- und Staatstheatern, in kleinen und großen Tanzkompanien bereits arbeiten, oft schon seit Jahren. „Neue Räume“ soll das Bundesjugendballett bespielen: „Nicht nur Theater, sondern auch Schulen, Museen, Altersheime oder sogar Gefängnisse“.
Wer hat’s erfunden? Gauthier Dance in Stuttgart. Es dürfte spannend werden, ob das „Projekt, das für ganz Deutschland von Nutzen und Bedeutung ist“, nun die Theater, Schulen und Altersheime von Zittau bis Saarbrücken, von Kempten bis Stralsund bespielt, oder ob es überhaupt bis Kiel und Bremen kommt. Interessant klingt da die Formulierung, dass Tourneen in Deutschland und im Ausland „auch vorgesehen“ seien – also wohl nicht die Regel sind.
Hier kommt der Knackpunkt: „Natürlich kann das Jugendballett darüber hinaus in großen Produktionen mit dem Hamburg Ballett und der zugehörigen Ballettschule zusammenarbeiten.“ So wie es mit den Zürich Juniors praktiziert wird und in München auch vorgesehen ist, füllt die Juniorkompanie also bei Bedarf die Corps-de-ballet-Reihen der Hauptkompanie auf. Ob das wirklich mit Mitteln des Bundes finanziert werden muss? Die Herren Malakhov und Liška, Anderson, Schläpfer und Watkin: auf nach Berlin, da gibt es Geld!
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