Raffiniertes Cinema-Theater
Das Béjart Ballet Lausanne bringt „Dixit“ zur Uraufführung
Premiere des Béjart-Balletts in Lausanne
Immer wieder im Dezember tritt das Béjart Ballet Lausanne (BBL) unter Gil Roman während einer Woche im Théâtre Beaulieu auf. Als Dank dafür, dass Lausanne, die 128.000-Einwohnerstadt am Genfersee, der Kompanie seit 1987 eine Infrastruktur zur Verfügung stellt und sie auch nach dem Tod von Maurice Béjart (1927-2007) subventioniert. Meist ist die Truppe allerdings auf Tournée, 2011 hauptsächlich in Fernost. Und wie immer bei den Premieren in Lausanne jubelt das Stammpublikum den Tänzerinnen und Tänzern sowie ihrem Chef auch diesmal frenetisch zu. Am Ende der Vorstellung gab es Standing Ovations wie zu Béjarts Zeiten.
Das vierteilige Programm setzt sich aus einem direkt überlieferten und zwei rekonstruierten Béjart-Kurzwerken zusammen: „Brel et Barbara“ (2001) zu Chansons von Jacques Brel und eben Barbara, „Cantate 51“ (1969) zu Bach und „Est-ce la Mort“ (1970) zu den letzten Liedern von Richard Strauss. Dazu ein neues Werk von Gil Roman, „Là où sont les Oiseaux“, inspiriert von einem Gedicht des Chinesen Chen Sheng Lai über die Anmutungen des Lebens. Choreograf Gil Roman assoziierte damit nach eigenen Angaben folgende Begriffe: Leben, Tod, Re-Naissance (Wiedergeburt), Zyklus, Ying, Yang, Gleichgewicht. Am Ende entstand ein surreales, poetisches Stück mit einigen inhaltlichen Rätseln. Getanzt wird es von jüngeren Mitgliedern der Kompanie. Allen voran vom faszinierenden Oscar Chacon, solo oder zusammen mit Simona Tartaglione, dem Paar Alanna Archibald/ Fabrice Gallarrague und einem rasanten Männerquintett.
Einige Personen, die zum Gelingen von „Là où sont les Oiseaux“ beitragen, arbeiteten bereits früher mit Maurice Béjart zusammen und sind dem BBL treu geblieben. Etwa die beiden Exponenten von Citypercussion, jB Meier und Thierry Hochstätter, seit langem auch an der Rudra-Schule tätig. Sie haben für Romans neues Stück die Musik komponiert und arrangiert: Asiatisch beeinflusste Rhythmen und Melodien, dazu Auszüge aus Richard Wagners „Parsifal“-Vorspiel und anderes mehr. Die Kostüme stammen von Modeschöpfer Jean-Paul Knott, ebenfalls einem alten Bekannten der Kompanie. Im Zentrum der Bühne steht eine mobile Skulptur in Rot aus der Werkstatt von Marta Pan (1923-2008) – auch sie eine frühe Bejart-Vertraute, die Anteil hatte an den Choreografien „Teck“ und „Equilibre“ in den Fünzigerjahren des letzten Jahrhunderts.
Gil Roman, der künstlerische Leiter des BBL, war früher der Startänzer der Kompanie. In der Aufführung von „Brel et Barbara“ in Lausanne stürzt er sich nochmals mitten ins Getümmel, brilliert mit den verrücktesten Tanzfiguren. Sein wirkliches Alter verrät er nicht, aber sicher geht er gegen die Fünfzig. Wie schafft er das? Hat er sich mit dem Teufel verschworen, einen Pakt für ewige Jugend geschlossen? Auch ein Teil der fünf Mitwirkenden in „Serait-ce la Mort?“ hat schon einige Jahre zuviel auf dem Buckel, zumindest nach Ballettmaßstab. Und trotzdem überzeugen weiterhin alle (in der Reihenfolge ihrer Auftritte, nicht ihres Jahrgangs): Julien Favreau, Kateryna Shalkina, Catherine Zuasnabar, Elisabet Ros und Daria Ivanova. Sie stammen noch aus Béjarts Kerngruppe, tanzen ihre Rollen phantastisch und sehen blendend aus. Der Mann bändelt nacheinander mit den vier Verführerinnen an, die laut Ballettbuch eigentlich Allegorien verkörpern: Jugend, Erfahrung, Reife und Tod.
In „Serait-ce la Mort?“ ist viel klassischer Tanz drin. Das gilt auch für das rekonstruierte Acht-Personen-Ballett „Cantate 51“, bei dem man sich zumindest im ersten Bild fragt, ob die Wiederbelebung sinnvoll war. Denn hier wirkt das Stück wie überdrehter Balanchine, mit stereotyp lächelnden Frauen, die aufgeregt vor blauem Hintergrund tanzen. Das nächste Bild, wo ein Engel der Jungfrau Maria ihre kommende Mutterschaft verkündet, bringt dann aber einen so innigen Pas de Deux (Onuki Masayoshi/ Kathleen Thielhelm), dass man das Ballett nicht missen möchte im Repertoire des BBL.
Premiere: 16. Dezember 2012. Bis 22. Dezember.
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