Klassentreffen Jahrgang 1987

Tanztheater Görlitz erfolgreich auf Unterhaltungstour

Görlitz, 31/01/2011

Elf sind noch da, elf ehemalige Schülerinnen und Schüler aus der Nähe von Görlitz, Abschlussjahrgang 1987. Bis auf einen haben sie sich nicht weit weg bewegt. In ihren Träumen hatten sie alle einst die purpurroten Segel ihrer Sehnsucht gesetzt und die Amiga-Platte mit den Songs der Roten Gitarren gehört. Die Segel wechselten die Farben, so manche Sehnsucht fand ein Ende schon im Nachbardorf, im nahen Nachbarland oder im kleinen Zimmer mit Aussicht in der Kreisstadt. Aber manchmal wechseln die ausgeblichenen Segel noch immer ihre Farben, und verloschen geglaubte Träume brechen purpurrot wieder auf. Einer hat seine Segel ganz und gar nicht eingeholt.

Mit Hilfe einer possierlichen Schar dienstbarer Postelfen stöbert Robin, William MacQueen als romantischer Weltenbummler, seine zehn ehemaligen Mitschüler auf und lädt zu einem Klassentreffen ein. Bis es soweit ist im zweiten Teil des neuesten Abends beim Tanztheater in Görlitz gibt es eine Abfolge unterschiedlicher Situationen, in denen die überraschende Einladung ihre Adressaten findet. Zunächst spielt das Klassenfoto eine Rolle. Dann tanzen alle, wie sie da festgehalten sind, heraus zu den Songs ihrer Erinnerungen und den Begleitmusiken ihrer tollsten Zeiten durch den Alltag ihrer jetzt mehr oder weniger durchwachsenen Zeiten. Klar, dass dazu City, Freudenberg, Lakomy, Bayon, Renft, Karat, Pudhys, Karussell, Biege und etliche andere gehören. Da springt der Funke ganz rasch über, im Publikum steigt die Stimmung beinahe rascher als auf der Bühne, das musikalische Gedächtnis funktioniert vorzüglich. Schon dreht sich das Karussell auf der Bühne. Ob im Büro der Bürgermeisterin, im polnischen Waschsalon, in der Kfz-Werkstatt, auf dem Arbeitsamt, in der Kaserne, an Haltestellen, im Zimmer mit Aussicht am Fenster, Träume und Erinnerungen tanzen überall, und wie man sieht, hilft Tanz den Alltag zu verlassen und aufzubrechen, sei es auch nur bis in den Nachbarort, in die ehemalige LPG, zum Klassentreffen unter freiem Himmel.

Und dann kommen sie zusammen. Simone Rabea Döring und Ariane Funabashi, die schon im Bürgermeisterbüro mehr als nur dienstlich miteinander rockten. Virginie Nass und Jan Hodes die rasanten Tänzer im polnischen Waschsalon. Rafael González Fresnedo und Sebastian Fiedor tanzen als pfiffige Spaßvögel vom Dienst in der Werkstatt, bis der Auspuff glüht. Undine Förster lernen wir als springfidele Kindergärtnerin kennen, Steffi Sembdner berührt mit ihrer sensiblen Gestaltung einer einsamen Krankenschwester, Tanz hilft Sara Giannatiempo als Cindy gegen Frust auf dem Arbeitsamt und Sebastian Gundler als Soldat Ulf bracht als Tänzer keine weiteren Waffen. Jacob Steinberg hat mit freundlichen Anleihen bei älteren Revuefilmen und dem noch älteren Meister Shakespeare das Spiel in zwei Teilen samt besinnlichem Zwischenspiel zusammengewerkelt, das letztlich aber nur mit dem Drive des guten Ostrocks funktioniert. Erste Hemmungen verschwinden schnell beim Klassentreffen. Bald wirbeln alle ganz schön miteinander, auch mal gegeneinander. Alte Liebe erwacht wieder, neue keimt auf, es wird gebalzt, gerauft, ein bisschen gesoffen auch. Unvermeidliche Polonaise, die Spaßvögel aus der Werkstatt und ihre große Nummer, Kalinka, wie einst beim Freundschaftstreffen. Abdrehen bis in den Rausch, dann dreht der Himmel seine Schleusen auf, ein frischer Regenguss und aus ist das schöne Spiel.

Lars Scheibner hat es inszeniert, gängige Choreografien zu den Ohrwürmern geschaffen und die gut aufgelegten Görlitzer Tänzerinnen und Tänzer auf der von Karen Hilde Fries gestalteten Bühne in den Kostümen von ÄNN ganz schön gefordert. Das Premierenpublikum ist angetan, die Stimmung steigt und am Ende siegt die Begeisterung für einen so rundum unterhaltsamen Abend des Tanztheaters voller Erinnerungen ohne jede Spur von billiger Nostalgie, ganz zu schweigen von Ostalgie.

Weitere Aufführungen: 4., 6. 02.; 13., 19., 27.03. www.theater-goerlitz.de

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