Die neuen „Saisons Russes“ im Théâtre des Champs Elysées

Andris Liepa mit drei Fokine-Balletten in Paris

Paris, 02/04/2011

Es war das dritte Mal, das Andris Liepa mit dem Kreml-Ballett und einigen russischen Starsolisten von Bolschoi und Mariinsky ins Pariser Théâtre des Champs-Elysées kam, um das hundertjährige Jubiläum der Ballets Russes zu feiern und deren Tradition im 21. Jahrhundert fortzuführen. Dementsprechend taufte er das Projekt „Les Saisons Russes XXI“.

Diese sehr interessanten Gastspiele zeigen oft Rekonstruktionen selten aufgeführter Ballette – so umfasste das Programm im letzten Jahr „Thamar“ und „Le Dieu Bleu“. Da von diesen Stücken nicht viel erhalten ist, bleibt allerdings oft fraglich, wieviel Original und Rekonstruktion gemeinsam haben. Selbst in häufig aufgeführten Stücken wie „Petruschka“ oder „Scheherazade“ sind bekanntlich je nach Aufführungsort erhebliche Differenzen festzustellen, vor allem in Bühnenbild und Kostümen, die sich alle auf die Originale von Benois und Bakst berufen. Die „Saisons Russes XXI“ neigen dabei leider häufig zu exzessiv bunten, kitschigen und billig wirkenden Kostümen. So kann beispielsweise keiner ernsthaft glauben (um nur das schlimmste Beispiel zu nennen), dass Nicholas Roerich die Sklavinnen in den „Polowetzer Tänzen“ in schreiend gelbe Bikinis mit Polokragen und changierenden Glitzerröcken steckte, die direkt aus der Kinderkarnevalsabteilung eines Billigsupermarktes zu kommen scheinen. Auch das – nicht immer richtig getimte – Licht überschritt zuweilen die Grenze zum Kitsch, vor allem die aggressiv blau-türkise Beleuchtung von „Les Sylphides“. Kaum zu vermeiden in diesem Rahmen ist hingegen der Effektverlust durch die manchmal schrille, manchmal zu leise Musik vom Band.

Doch abgesehen von diesen Kümmernissen (zu denen auch die unerklärte Absenz der immer noch auf der Internetseite angekündigten Svetlana Lunkina gehört) ist es ein Genuss, diese choreografischen Meisterwerke von einer guten Ballettkompanie getanzt zu sehen. „Petruschka“ mit seinen herrlichen Jahrmarktszenen beeindruckt auch, wenn Strawinskys mitreißende Musik nur aus dem Lautsprecher erklingt. Vladimir Derevianko war eher charismatisch als bewegend in der Titelrolle, Alexandra Timofeievna tänzerisch lupenrein als Ballerina, Kirill Ermolenko wunderbar als Mohr, der sich weit mehr um seine Kokosnuss sorgte als um die Ballerina, die er zunächst verdächtigte, ihm die Nuss entwenden zu wollen. Auf dieses farbenprächtige Werk folgte „Les Sylphides“ zu Chopin-Musik vor einer gotischen Kirchenruine. Starsolist Nikolai Tsiskaridze mangelte es an diesem Abend etwas an seiner legendären Leichtigkeit und Bolschoi-Etoile Marianna Ryjikina hatte einige Schwierigkeiten im Pas de deux. Dennoch war die Vorstellung von tänzerisch hohem Niveau, mit schönen Ports de bras im Corps de Ballet und bei den Solisten, unter denen vor allem die lyrische Angelina Vorontseva einen positiven Eindruck hinterließ. Der Abend endete mit den „Polowetzer Tänzen“ aus Borodins Oper „Prinz Igor“. Im Mittelpunkt standen hier Sergei Kononenko aus dem Mariinsky-Corps und die verführerisch ondulierende Ilse Liepa. Tänze von Sklavinnen und Kriegern, dargeboten mit aller nötigen Energie und Hingabe, folgen hier aufeinander vor einer bestechenden Wüstenszenerie von Nicholas Roerich. Mit „Petruschka“ bildete dieses Werk einen gelungenen Rahmen breit gefächerter russischer Folklore um die französische Romantik, die „Les Sylphides“ inspirierte, die im 20. Jahrhundert erst von den Ballets Russes wieder in ihre Heimat Paris zurückgebracht wurden.

Besuchte Vorstellung: 31.03.2011

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