So kann es gerne weiter gehen

Die erste Dresdner Ballettgala in der Direktion von Aaron S. Watkin setzt Maßstäbe

Dresden, 04/10/2011

Das gab es ja in Dresden lange nicht mehr. Man wird sich schwer an einen solchen Abend in der Semperoper erinnern, an dem das Publikum am Ende in einem solchen Beifallssturm vereint war, beinahe geschlossen stehend lautstark klatschte, diesmal in fröhlichem Gleichklang, dabei mit Bravorufen und neueren Jubelformen nicht sparte. Die Rede ist von der Dresdner Ballettgala, mit der die erste Ballettwoche zu Ende ging. Nach funkelndem Höhepunkt zur ersten Premiere der aktuellen Saison mit George Balanchines „Juwelen“, mit der Ballettchef Aaron S. Watkin seine sechste Spielzeit begann, konnten die Dresdner Tänzerinnen und Tänzer einen weiteren Erfolg feiern. Die Spielzeit kündigt interessante Produktionen an, da kann dann auch das siebte Jahr gerne kommen. Mit dieser Gala, so Watkin in seiner persönlichen Begrüßung, wolle er die heutigen und die künftigen Stars des Semperoper Balletts in unterschiedlichen Choreografien vorstellen, er wolle sein Anliegen darstellen, das u.a. darin bestehe, Grenzen zu überwinden und das Spektrum des Tanzes im Hinblick auf die Klassik, die Neoklassik und die Moderne so weit als möglich auszureizen.

Gäste der internationalen Tanzszene, die – welch schöner Zufall – mit der Dresdner Kompanie verwandt sind, sorgten auf angenehm angemessene Weise für zusätzlichen Glanz an diesem Abend. Polina Semionva tanzt mit ihrem Bruder Dmitri, der als ständiger Gast dem Dresdner Ensemble angehört „Le Corsaire-Pas de Deux“ in der Choreografie von Marius Petipa. Elegante und brillante Klassik in Reinkultur, die weit ausgreifenden Sprünge des aus Liebe geläuterten Seeräubers und die atemberaubenden Pirouetten der schönen Griechin lassen nicht nur Tanzfans jubeln. Zuvor hatten Svetlana Gileva, Sara Michelle Murawski und Gina Scott mit aller nötigen technischen Raffinesse im Pas de Trois der Odalisken aus dem gleichen Werk die Lust in Dresden geweckt, dieses wild-romantische Piraten- und Intrigenstück vielleicht doch einmal zu erleben.

Mit William Forsythes Geschwindigkeitsrausch „The Vertiginous Thrill of Exactitude“ zur Musik Franz Schuberts aus der Großen C-Dur Sinfonie Nr. 8 für die drei Damen in den lustigen, steifen Teller-Tutus und zwei springfidelen Herren wurde der Abend eröffnet und beschlossen mit dem Finale aus Balanchines „Diamanten“ mit den Solisten Elena Vostrotina und Milán Madar.

Als Uraufführung präsentierte Aaron S. Watkin ein Pas de Deux zu Peter I. Tschaikowskys Fantasieouvertüre „Romeo und Julia“ für Natalia Sologub und István Simon, dessen rasante Entwicklung ein beredtes Beispiel für die Förderung junger Tänzerpersönlichkeiten ist. Das Lichtkonzept der Kreation geht zur Premiere noch nicht gänzlich auf, bzw. sendet seine Kraft nicht immer dahin, wo die Tänzer sind. Das wird sich beheben lassen, denn das Stück möchte man gerne noch mal sehen. David Coleman dirigierte die Staatskapelle und sorgte im ersten eher klassisch-neoklassischen Teil des Abends für die musikalische Grundlage eines Galaabends des Balletts wie man sie durchaus nicht überall bei solchen Anlässen zu hören bekommt.

Im zweiten Teil wird die Musik zugespielt, es gibt vornehmlich Ausschnitte aus Repertoirestücken gegenwärtiger Choreografien. Es erweist sich als problematischer aus diesen Kreationen, deren Verlauf stärker auf den Gesamteindruck ausgerichtet ist, Ausschnitte zu präsentieren. Sogar ein Pas de Deux aus „Giselle“ in der Choreografie von David Dawson, hinreißend getanzt von Yumiko Takeshima und Raphaël Coumes-Marquet, braucht vielleicht doch den Kontext stärker, als etwa Paradestücke im ersten Teil. Dies schränkt natürlich das spürbare Anliegen die Weite des ästhetischen Anspruches darzustellen nicht ein. Unter diesem Aspekt fügen sich die Ausschnitte aus „Sie war schwarz“ von Mats Ek, dem derzeitigen Publikumsrenner im Repertoire, „Vertigo Maze“ von Stijn Celis und „Spazio-Tempo“ von Jacopo Godani natürlich ins Konzept des Abends. Zumal solche Ausschnitte beste Gelegenheiten bieten, das Ensemble zu präsentieren und weitere bemerkenswerte Beispiele der Förderung. Da mag man an einen Tänzer denken wie Johannes Schmidt, Absolvent der Palucca Hochschule in Dresden, Mitglied im Elevenprogramm, jetzt Mitglied der Kompanie, mit kleineren Soli betraut, demnächst in der Reihe „Junge Choreografen“ mit von der Partie junger Talente. Mit Spannung und immer neuen Überraschungen erlebt man die rasante Entwicklung einer Tänzerin wie Anna Merkulova, und man muss hier der Gerechtigkeit halber nachdrücklich von Bespielen sprechen.

Erfreulich ist die Zusammenarbeit mit den Studentinnen und Studenten der Palucca Hochschule. Die Neuauflage des Elevenprogramms wird spürbar ausgebaut und zeitigt erste Erfolge. Demnächst werden auch die jungen und jüngsten Schüler vom Basteiplatz zum Theaterplatz wechseln, wenn Tschaikowskys Weihnachtsrenner „Der Nussknacker“ in neuer Inszenierung ins Repertoire kommt. Zur Gala präsentieren Studierende des zweiten Jahres Bachelor-Tanz einen Ausschnitt aus Annabelle Lopez Ochoas rhythmisch akzentuierter und fröhlicher Choreografie „In < Fusion > In“ und werden vom Publikum gefeiert. Die Stars im zweiten Teil sind zweifellos die solistisch oder im Duo weltweit gefeierten Zwillinge Jiří und Otto Bubeníček, Jiří demonstriert Verbundenheit mit seiner Dresdner Kompanie zudem in den Kreationen von Celis und Godani und tanzt mit seinem Bruder und dem Dresdner Ausnahmetalent Jón Vallejo seine Choreografie „Canon in D-Moll“, zur Musik von Johann Pachelbel. Eine ausgesprochen sensible und emotional grundierte Arbeit aus dem Dresdner Repertoire, für die sich das Publikum enthusiastisch bedankt. So etwas, wie eingangs bemerkt, gab es in Dresden lange nicht, und auf eine Fortsetzung müssen die Dresdner und ihre Gäste hoffentlich nicht allzu lange warten.

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