Unterwegs ins Heute
Malakhov-Uraufführung in Berlin
/img/redaktion/tanztechniken.jpg Das Cover leuchtet in Pink mit silbernen Lettern. Am 4. Februar 2011 wurde das brandneue Buch im Rahmen des Abschlussfestes fünf Jahre Tanzplan Deutschland von den Herausgebern Ingo Diehl und Friederike Lampert vor einem großen Zuhörerkreis in den Berliner Uferstudios vorgestellt.
„Tanztechniken 2010“ ist ein schillernder Baustein in der breitgefächerten Erfolgsgeschichte der von der Kulturstiftung des Bundes 2005 gegründeten Netzwerk-Initiativen zur nachhaltigen Förderung des Tanzes in Deutschland. Diese im doppelten Sinne gewichtige, 320 Seiten, zwei Trainings-DVDs und 50 s/w-Abbildungen umfassende Publikation ist das ambitionierte Ergebnis eines dreijährigen Forschungsprojektes zu Aspekten zeitgenössischen Tanztrainings. Sieben Expertenteams (180 Berater, Tanzpädagogen, Tanzwissenschaftler, Sportwissenschaftler, Tanz-Studierende) beschäftigten sich an renommierten europäischen Tanzhochschulen in Deutschland, Österreich, den Niederlanden, England und Belgien mit der Frage, wie dieses zeitgenössische Training aufgebaut und (verknüpft mit theoretischem und historischem Wissen) aktuell vermittelt wird.
Im Rahmen der Tanzplan Ausbildungsprojekte (initiiert von Ingo Diehl und gemeinsam mit Friederike Lampert durchgeführt) werden hier einige der international wichtigen Tanzpädagogen gleichberechtigt in ihrem spezifischen Arbeitskontext vorgestellt und um Antworten zu ihrem jeweiligen Spezialgebiet gebeten. Durch die individuell spezifischen Antworten auf jeweils 84 (!) identische Forschungsfragen der Recherche-Teams wird die Arbeit von Alan Danielson – Humphrey/Limón Tradition; Anouk van Dijk – Countertechnik; Barbara Passow – Jooss-Leeder-Technik; Daniel Roberts – Cunningham Technik; Gill Clarke – Minding Motion; Jennifer Muller – Muller Technik; Lance Gries – Release- und Alignment-orientierte Techniken methodisch überzeugend materialisiert. Die Qualität dieses Fragenkataloges der Herausgeber ist die Basis für eine sachkundige Bestandsaufnahme in den Forschungsfeldern: Historischer Kontext, Konzept und Ideologie, Körper und Bewegung, Didaktik und Methodik.
Zum ersten Mal existiert somit eine vergleichende Studie unterschiedlicher Praxismodelle einzelner Pädagogen im Bereich des lange tabuisierten zeitgenössischen Tanztrainings! Nach meinem Eindruck ermöglicht diese umfangreiche Materialsammlung aus umfänglichen Interviews (sowie ergänzend mit den Lehrenden von P.A.R.T.S. Brüssel, Zeitzeugen des deutschen Ausdruckstanzes), wissenschaftlichen Beiträgen (Edith Boxberger, Gill Clarke, Franz Anton Cramer, Anouk van Dijk, Henner Drewes, Wiebke Dröge, Claudia Fleischle-Braun, Yvonne Hardt, Wibke Hartewig, Irmela Kästner, Gisela Müller, Vera Sander, Sylvia Scheidl, Irene Sieben, Gerald Siegmund, Patricia Stöckemann, Maren Witte und Gabriele Wittmann), kommentierten Trainings-DVDs und Unterrichtsplänen erstmals einen vergleichenden Blick auf den historischen Kontext, die individuellen Konzepte, Bewegungskriterien und Unterrichtsmethoden von zeitgenössischem Tanztraining als ein flexibles Recherche-Potenzial der Körpererfahrung und des Körperausdrucks.
Die sieben Fallstudien spiegeln aus unterschiedlichen Perspektiven in einem vergleichbaren ‚Navigationssystem in Text und Film‘ (wesentlich unterstützt durch ein Sinn stiftendes Layout!) die unterschiedlichen Arbeitsprämissen und persönlichen Erfahrungen der Experten. Zusammen mit dem klar strukturierten DVD-Material (Klasse, Klasse mit Kommentar des Tanzpädagogen, Studenten-Interviews, Expertenkommentar, Unterrichtsverlaufspläne, choreografisches Begleitmaterial) ermöglicht das Handbuch ein tiefes und komplexes Eindringen in das Expertenwissen und die praktische Arbeit im Verlauf der Workshops. Technik und Training befinden sich in einem dynamischen Prozess von momentaner Gültigkeit und Bedeutung für die Zukunft. „Tanztechniken 2010“ packt den Tanz in Worte und wirkt bei Lehrenden wie Lernenden Bewusstsein schärfend für das Nachdenken über das eigene Tun. In Zeiten des tanzkünstlerischen Eklektizismus kann diese Publikation exemplarisch dazu beitragen, das Wissen um die Wurzeln, Querverbindungen und Möglichkeiten zeitgenössischer Tanzsprachen und Trainingsmethoden und deren individuelle Vermittlungsformen zu vertiefen. Denn nur auf der Grundlage einer intensiven Kenntnis der existierenden Tanztechniken - durch eigenverantwortliches Handeln in der Aneignung vielfältiger kinetischer Tools und Fertigkeiten und vor einem profunden tanzgeschichtlichen Hintergrund - kann jeder (angehende) zeitgenössische Künstler „ausbrechen“ und seinen eigenen Stil entwickeln, seine eigene Sprache finden.
Dass dieses umfangreiche Arbeitsbuch zur zeitgenössischen Tanzpädagogik als Netzwerk unterschiedlicher Praxismodelle (ergänzt durch Literaturverweise und Links) sowohl in deutscher als auch in englischer Sprache unter dem Titel „Dance Techniques 2010 – Tanzplan Germany“ (Betriebssystem NTSC) beim Henschel Verlag ediert wird, unterstreicht die anvisierte internationale Resonanz. Diese offene Bestandsaufnahme in Sachen zeitgenössische Tanzausbildung lädt zum intensiven Nachlesen, Nachdenken, Anschauen, Querdenken, Ausprobieren und Gedankenaustausch ein. „Tanztechniken 2010“ präsentiert in Theorie und Praxis viel Wissen in Bewegung für nur 19,90 Euro! Es bleibt zu erproben und zu wünschen, dass „Tanztechniken 2010“ ein Handbuch zu Tanztechniken im zeitgenössischen Tanz werden möge, das viele Nutzer inspiriert und somit fortgeschrieben wird.
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