Ein sinnlich-wildes Spektakel. Eine ausgelassene Strandparty. Ein unwiderstehlicher kubanischer Cocktail. Körperspannung wie Stahl, unkonventionelle Freude am Tanz. So urteilt über die Gastspiele von „Ballet Revolución“ die internationale Presse. In Deutschlands führender Fachzeitschrift allerdings liest man verblüfft von „Fleischbeschau“, einem Missverhältnis zwischen männlichen und weiblichen Tänzern, von „gnadenloser Dressur“ und dass „jede individuelle tänzerische Regung von vornherein im Keim erstickt“ wird.
Verbalisierte Ahnungslosigkeit über Sinn und Ausdruck von, Ausbildung zum Tanz in Kuba? Freilich ist das Entertainment, mehr will jenes Tourneeprogramm nicht sein, keine bierernste Spendenaktion etwa für die Welthungerhilfe. Dass auf höchstem Niveau getanzt wird, sich auf nahtlose Weise die Stile mischen, einige der rund 20 Beiträge aus der Hand zweier Choreografen inhaltlich über die bloße Präsentation von Daseinsspaß hinausgehen, macht die seit Sommer 2011 reisende und schon weltweit erfolgreiche Show einzigartig. Australien gab das Geld für die Produktion, Kuba exquisite junge Tänzer aus seinem schier unerschöpflichen Born, und im Verein mit inseltypischer Musik wie Salsa, Mambo und Rumba, durchwürzt mit internationaler Popmusik, live musiziert von einer Begleitband, entstand ein explosiver Bilderbogen um kubanische Mentalität. Tanz gehört auf der Karibikinsel zur Existenz wie die Luft zum Atmen, Tanz, der sich aus afrokubanischen Wurzeln speist, sich Jazz und HipHop einverleibt sowie Europas Ballett und den US-amerikanischen Modern Dance angeeignet hat. Die Escuela Nacional de Ballet in Havanna gilt zumindest für den Männertanz als eine der besten der Welt, versorgt nahezu alle bedeutenden Truppen nicht nur der USA mit Talenten und stattet selbst die Mädchen mit maskuliner Kraft aus. Es liegt daher nahe, die Virilität von Kubas Tänzern und ihren professionellen Standard ins Zentrum eines Projekts zu rücken. Zu zwei Dritteln besteht „Ballet Revolución“ daher aus Männern: die langbeinigen mit gediegener klassischer Basis, andere perfekt modern geschult.
Ähnlich bei den sechs Frauen: Ballett-Tänzerinnen und „Moderne“ haben ihre Parts, und wie man auf dieselbe Musik, in derselben Choreografie auf Spitze, mit Sneakers oder barfuß tanzen kann, ist ein Teil jener Explosion namens „Ballet Revolución“. Den zweiten bringen mit unbändiger Kraft bis zur Leistungsgrenze die Akteure des Abends ein, die außer schwarzen Hosen als ihrer Grundausstattung keine Glitzerfummel brauchen: Ihr „Kostüm“ ist der athletische, bravourös funktionable Körper in der typisch kubanischen Ganzkörpergeschmeidigkeit. Ob im überbordenden Lebensbild „Cumbanchero“ oder dem emotionalen Doppelduett um Phasen einer Liebe zum „Concierto de Aranjuez“, ob in einer differenzierten Tango-Fantasie oder dem „nur“ rasanten Marathon durch Titel von Beyoncé und Shakira, Ricky Martin und Enrique Iglesias, Usher und Bob Marley: Die Männer servieren berstende Tanzfreude, fulminante Sprung- und Drehtechnik, ihr Machotum auch, und augenzwinkernd lassen die nicht minder brillanten Frauen sie gewähren. Ein sinnlich-wildes Gute-Laune-Spektakel eben der Sonderklasse.
Bis 2.12., Admiralspalast, Friedrichstr. 101, Mitte, Tickets unter 01805-2001,
www.ballet-revolucion.de
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