Die Chaostruppe, die Tanz kann
Dresden Frankfurt Dance Company mit „Dance2Narration“ im Festspielhaus Hellerau
Heiterer Start für das modul dance festival in Hellerau
Es gehe ums Ganze, es gehe ums Leben, um das, welches wir führen oder zu führen denken. Es gehe um das Leben, das wir uns erträumen oder lieber vergessen würden. So wird die Eröffnungsvorstellung angekündigt. „Fragments“ heißt die neue Produktion von Les SlovaKs Dance Collektive aus Belgien, mit deren Uraufführung des erste modul dance festival eröffnet wird. Gleich vorweg, vergessen kann man das, was die fünf Tänzer mit folkloristischem, slowakisch biografischem Hintergrund präsentierten, so schnell nicht. Eine Stunde, so fragmentarisch und zerbrechlich wie das Leben. So heiter, so traurig, so einsam, so übermütig in der Gruppe. So unaufhaltsam wie das Verrinnen der Zeit, wie es so sinnlich sichtbar ist an den Toten- und Stundentänzen historischer Uhren auf öffentlichen Plätzen und an Kirchen. Aus vielen Motiven des Alltäglichen haben sich die Tänzer ihre Lebensstunde zusammengesetzt. Mit vielen Stimmungen setzten sie sich gegenseitig ins rechte Licht oder stellen einander in den Schatten. Dabei bedienen sie sich grotesker und clownesker Mittel ebenso wie elegischer und melancholischer, weit ausschwingender Eleganz. Fünf Tänzer in Weiß, zunächst in artiger, höfischer Geste, dann mit Soli und Duetten, in unterschiedlichen Konstellationen der Gruppe, versonnen oder im Ulk und dadaistischer Stimmakrobatik. Einmal flitzen sie wie geölte Blitze, dann wieder fast stehende Bilder in gekonnter Slow-Motion-Manier. Kleine Scherze mit dem Publikum, ein schöner Schluss der noch keiner ist, und dann doch der Schluss, den das Publikum noch gar nicht erwartet hat, denn eine Stunde vergeht wie im Flug.
Einen gewichtigen, wesentlichen Akzent setzt die Musik. Kein elektronisches Wummern, kein minimalistisches Fiepen, Les SlovaKs Dance Collective arbeitet mit dem in Frankreich geborenen Komponisten Simon Thierrée zusammen. Der 32-jährige hat Violine und Komposition studiert, hat Erfahrungen im Jazz und verarbeitet folkloristische Themen der Musik aus Rumänien, Ungarn und der Slowakei. Dass er die deutsche Romantik liebt, lässt sich nicht überhören, Brahms und Mahler stehen hoch in seiner Gunst. Er kopiert nicht. Er bekennt sich zur Melodik, zur Emotion und mischt seinen Orchesterpart mit Schlagern vergangener Zeiten, den Kindheitsklängen der Tänzer. Vielleicht ist es wesentlich der Musik geschuldet, dass dieser Beitrag über erinnernde Vergänglichkeit sicher lange in der Erinnerung bleibt.
Harter Schnitt. Anderer Raum, keine Bühne, eine Fläche, ausgelegt mit weißem Tanzboden, alles in gnadenlos hellem Licht, keine Musik, kein Ton. „Pausing“ heißt die Produktion des griechischen Tänzers Ioannis Mandafounis, bekannt von der Forsythe Companie, und der Tänzerin May Zarhy aus Israel. Ist ja schon mal ungewöhnlich für den Tanz mit dem Titel anzukündigen, es gehe ums Pausieren. Na sicher, die Pausen gehören dazu, auch im Tanz. Und so viele Pausen gibt es dann auch in den 50 Minuten gar nicht. Ob Ioannis Mandafounis eine Geschichte im Kopf hat, die wir gar nicht kennen müssen, spielt keine Rolle. Ob er improvisiert oder nicht auch nicht. Vielmehr fasziniert wie er immer wieder in Situationen kommt, die anmuten als wäre er selbst überrascht, wohin, in welchen Bewegungsraum, ihn sein Körper führt. Dann scheint er ebenso wie das Publikum überrascht, wenn eine Wiederholung nur scheinbar gelingt und sich auf engstem Raum ganz neue Weiten eröffnen. Schwer zu sagen, ob es die körperliche Beweglichkeit des Tänzers ist oder seine dermaßen verinnerlichte Konzentration, dass man weder husten noch die Haltung auf den unbequemen Sitzen im Hellerauer Nancy-Spiro-Saal verändern möchte. Dann macht der Tänzer Pause. Dann kommt die Tänzerin, keine Wiederholung dessen was wir zuvor sahen, aber dennoch kaum neue Akzente. Die Idee verebbt. Und spätestens wenn er wieder dazu kommt und beide so privat als möglich spielen und scherzhaft ein kleines Übungsrepertoire zelebrieren, dann wünscht man sich die Pause, weil es wirklich schade wäre mit jeder weiteren Minute zu verdrängen, was vom Beginn her in so starker Erinnerung ist.
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