Die Chaostruppe, die Tanz kann
Dresden Frankfurt Dance Company mit „Dance2Narration“ im Festspielhaus Hellerau
Ioannis Mandafounis und die Dresden Frankfurt Dance Company mit „A Land Within“ in Hellerau
Auf zur tanzphilosophischen Reise! Als solche ist „A Land Within“ von Ioannis Mandafounis und der Frankfurt Dresden Dance Company angekündigt, die am Freitag im Festspielhaus Hellerau Premiere feierte. Basierend auf dem Werk des französischen Philosophen Maxime Rovère verwandelt Mandafounis das Festspielhaus in acht Performanceräume, die so illustre Namen tragen wie „Black Pit“, „Erratic Geyser“ oder „Rainbow Valley“. Besonders die Aspekte von Liebe, Respekt und Vergebung aus Rovères Buch „Se vouloir du bien et se faire du mal” sollen hier eine Rolle spielen.
Das ist möglich, aber für die Rezeption im Grunde unerheblich, da alle Räume ihre ganz eigenen Wirksamkeiten entfalten, weit entfernt vom Überbau solcher dramaturgisch-philosophischer Konzepte. Da hämmert es etwa lautstark an den Wänden des „Black Pit“, während im großen Saal Emanuele Co’ und Emanuele Piras von der Bühnentraverse hängen und mit kräftigen Bewegungen mal kreisrund über den Köpfen der Zuschauenden schweben oder sich gegenseitig in der Luft herumwirbeln. In den „Black Pit“ wiederum, einen großen Black Cube, kann man nur von oben hereinschauen, während unten Daniel Myers und Audrey Dionis lautstark gegen die Wände hämmern und hier zumindest der aggressive Teil zunächst im Vordergrund steht. Später wiederum haben beide ihre pinken und blauen Netzoberteile abgelegt und auch die Hand- und Knieschoner zu Mustern zusammengelegt und ergeben sich einander zärtlich zusammengerollt.
Acht Räume mit Geschichten
Im „Smokey Valley“ wiederum ist tatsächlich alles komplett vernebelt, und nur hier und da taucht der grün gekleidete Ichiro Sugae oder eben ein anderer Gast aus der dichten weißen Masse vor die Augen. Im Foyer tanzen Noémie Larcheveque und Todd Baker als zwei Fellwesen. Louella May Hogan zunächst ganz in Schwarz, später in weiß, bespielt den Treppenaufgang. Thomas Bradley reinszeniert in Ansätzen Abramowitsch’ „The Artist is Present“ und spricht über Identitätskrisen, und im „Rainbow Valley“ musizieren Cassandra Arnmark und Ido Toledano gar selbst und laden die Besuchenden der Kassandra-Liebes-Story zu einer großen Party ein. Mittendrin gibt es zudem einen Walking Act mit Marina Kladi, Solène Schnüriger und Ugnė Irena Laurinavičiūtė, die dann wiederum mit den stationär Tanzenden in Dialog treten.
So bietet jeder Raum seine eigenen Geschichten, und natürlich ist die Gesamtheit der Eindrücke im Grunde überhaupt nicht erfassbar, aber das ist durchaus Teil des Konzept. Genug Zeit, alles zu sehen, bleibt in den 50 Minuten auf jeden Fall, aber bei welcher Miniatur man länger verweilt, das muss man selbst entscheiden. Das Verweilen und Eintauchen lohnt sich, zumal auch die Kunstwelten (mal mehr, mal weniger) dialogisch ausgerichtet sind. Alle entwickeln eine ganz eigene Sogkraft, und es macht durchaus Spaß, in diesen halb choreografierten Konzepträumen mit großem Improvisationspotential den Tänzer*innen zu folgen und vielleicht sogar mitzumachen.
Intimität versus große Bühne
Gegen diese brillant unterhaltsamen Nahtanzerfahrungen kommt das große Finale auf der großen Bühne nicht an. Zu Texten von Rovère tanzt zunächst Nastia Ivanova, später zusammen mit Yan Leiva und Sam Young-Wright in grellem Licht. Mal mit Musik (von Jean Sibelius' „Valse Triste“ über elektronisches Zischen bis zu „Still wie die Nacht“ von Ruby Elzy reicht das Repertoire), meistens ohne, aber immer irgendwie verloren. Alles ist abstrakt und unvermittelt, eine Perfomance die leider nicht so recht abholt. Mittendrin werden dann rollende Tische gegeneinander geknallt, oha, das ist wohl konflikthaft, aber im Grunde tröpfelt dieser Teil vor sich hin, und auch die klug raunenden Philosophentexte erschaffen keine tiefere Bedeutung, sondern liegen wie eine weiter Schicht neben dem Tanz.
So überzeugt „A Land Within“ vor allem in der Intimität der Situation und dem Wissen, dass alles, was man sieht, bedeutet, dass man vieles andere nicht sieht. Wenn man dann aber alles sieht, aus der Ferne der Podesterie, dann trägt es nicht mehr. Es fehlt die Verbindung, die sich sonst mit dem Betreten des Raumes automatisch eingestellt hat. Nähe schlägt Ferne. Das ist ja auch mal eine Erkenntnis.
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