Tänzelnde Mönche und meditierende Nonnen

Choreograf Lemi Ponifasio inszeniert Carl Orffs monumentales Alterswerk „Prometheus“

Duisburg, 18/09/2012

Nach John Cages „Europeras 1 & 2“ setzt die Ruhrtriennale ihre Musiktheater-Inszenierungen mit einer weiteren Nicht-Oper fort: Carl Orffs nahezu handlungsloses Alters-Bühnenwerk „Prometheus“ auf die ungekürzten altgriechischen Texte des Aischylos in der Regie des samoanischen Performancekünstlers und Choreografen Lemi Ponifasio. Von den hochdramatischen, rhythmisch markanten, minimalistischen Klang-Orkanen und den Crescendi bedrohlichen Donnergrollens lässt Ponifasio sich keineswegs zu dynamischen Bewegungschören hinreißen, sondern nimmt die kontemplativen Rezitationen und Dialoge dieser, seiner ersten Musiktheater-Regie zum Vehikel für eine mystisch-rituelle, die Kulturen der Welt umfassende „Zeremonie“, wie er sie auf Festivals in aller Welt zelebriert (z.B. „Birds with Skymirrors“ 2010 beim „Theater der Welt“ in Essen).

Sänger, Schauspieler, Tänzer, Choristinnen und Statisten stehen, liegen, hocken, sitzen (im meditierenden Schneidersitz) weitgehend statuarisch im düsteren Ambiente der gigantischen Kraftzentrale des ehemaligen Duisburger Stahlwerks. Dieses ist zum „Landschaftspark“ umfunktioniert worden ist – ein Raum, wie er kaum idealer sein könnte für dieses monumentale Werk. Das Orchester prunkt mit elf Schlagzeugern, acht Pianisten, vier Harfenisten, Streichern, Bläsern und Organisten. Video- und Klangeinspielungen und Theatertechnik wie Donner- und Windmaschine kommen zum Einsatz in der Halle mit einer Grundfläche von über 200 mal 40 Meter. Auf einer langen Seitenempore sind die Instrumentalisten von „Ensemble musikFabrik“, „SPLASH-Perkussion NRW“ und „Orchesterzentrum NRW“ mit dem Dirigenten Peter Rundel platziert. Auf einem gläsern spiegelnden (und zeitweise viele Zuschauer grell blendenden) Spielpodest entfaltet sich das Drama vom Sterben des gefesselten Prometheus in Zeitlupe.

Während der gesamten pausenlosen Aufführungsdauer von 150 Minuten harrt der Bariton Wolfgang Newerla als Prometheus vorn links auf dem Podest aus, rezitiert und singt − zeitweise im Falsett oder Parlando − mit stupender Stimm- und Sprachsicherheit und beeindruckender, völlig distanzierter Konzentration. Die stimmlich überragende Io gibt die österreichische Sopranistin Brigitte Pinter in hocheleganter nachtblauer (Konzert-)Robe. Beide werden gedoppelt durch zierliche Tänzer aus Ponifalsos Tanzkompanie MAU: Ioanne Paplii ist der fast nackte Prometheus, der wie zum Sezieren auf eine neon-erleuchtete Bahre gestreckt wird; Helmi Prasetyo deutet mit flirrendem Zittern ihrer Hände (ohne Opernglas kaum auszumachen) Ios Angst um Prometheus an.

Glockenrein klingt der Frauenchor von „ChorWerk Ruhr“. Die 20 zarten Gestalten sind umhüllt von transparenten, bodenlangen Georgettegewändern. Die gleichartigen langen, weißen Perücken wirken im schummerigen Licht wie Nonnenschleier. Als männliches Pendant zu den frommen Damen treten fünf zierliche MAU-Tänzer auf im Habit fernöstlicher Mönche des Zen-Buddhismus, die mit geometrisch abgezirkelten Armbewegungen und trippelnden, kunstfertigen Schritten recht putzig wirken. Lemurengleich (als Todesgeist) auf vier gerade gestreckten Beinen streicht der Tänzer Kasina Campbell durch den Raum.

Lemifasio findet kunstgewerblich schöne Bilder und Arrangements, jongliert mit Poesie und Pathos. Das passt gut zu Orffs Partitur, die mit wohlbekannten Effekten, Harmonien und Klängen prunkt, sich aber allzu oft wiederholt und den vielschichtigen Melodien- und Stimmungsreichtum der „Carmina burana“ kaum ansatzweise hie und da in den Frauenchören nahekommt.

Trotz der raffinierten Licht-„Spiele“ von Helen Todd herrscht durchweg Halbdunkel. Ermüdend aber wirken vor allem die endlosen altgriechischen Rezitationen. Das Gros der Premierenbesucher war sichtlich erschöpft am Ende des düsteren Rituals, zollte den vorzüglichen, weit über 100 Mitwirkenden allerdings langanhaltenden, respektvollen Applaus.
 

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