Kaltes Licht und warme Dunkelheit
Die Dresden Frankfurt Dance Company zeigt Stücke von Forsythe und Bonachela
Aber was macht das schon, die wenigsten dürften das 65-Minuten-Stück schon gekannt haben. Die große Frankfurter Forsythe-Familie freut sich einfach, den Meister und seine exzellente Tanzkompanie wieder mal zu Gast zu haben.
Der Titel ist wieder ein Worträtsel, das nicht wirklich auf- oder eingelöst wird: „Sider“ erinnert an die sich eigentlich ausschließenden Pole Outsider und Insider. Und Ähnliches geschieht im Stück: auf die Rückwand werden – ganz oben links unter die Decke – Worte projiziert, die immer auch das Gegenteil beinhalten. Am Ende steht da: „they were“, gefolgt von „they weren’t“.
Geprägt wird das ganze Stück optisch und akustisch von übergroßen Pappen, die getragen, gehoben und geschoben werden. Vor die mal laut und aggressiv getreten wird, mit der anderen bedrängt und niedergemacht werden, oder mit denen man gemeinsam eine Art Schutzburg baut. Kommunikation mit anderen Mitteln könnte man sagen. Dazwischen bewegen sich die 14 Tänzer und Tänzerinnen mit einer Leichtfüßigkeit und Anmut, die man in dieser pappe-plumpen Umgebung ganz neu wahrnimmt.
Ungewöhnlich sind die Kostüme: Dieses Mal nicht im Freizeitlook, sondern Elemente elisabethanischer Kleidung. Da gibt es Halskrausen aus Plastik und silbern schimmernde Kniestrümpfe, einige Männer tragen Kopfmasken, die an Ritterrüstungen erinnern, man glaubt einen Narr zu entdecken und eine Samt tragende Lady. Eine Somnambule irrt durch die Menge, eine Art Prinz rettet eine Frau vor dem Bösen. Eine Menge Einzelcharaktere, die auch durchgehalten werden.
Der Einsatz der Stimme ist einfallsreich und bringt die heitere Note in das Stück. David Kern – in eine Art apricotfarbenen Pyjama gewandet, den er mit Würde trägt – bramarbarsiert im rhythmischen Tonfall des Shakespeareschen Theaters. Er führt Monologe von Hamletscher Dimension, intoniert Dialoge mit verschiedenen Tonlagen, gibt soldatische Befehle oder quietscht einfach vor sich hin. Immer vergnüglich anzuhören. Dana Caspersen ist für die sanften Sprechpassagen zuständig, am Ende des Stücks scheint sie damit alle zu verzaubern und von einem hohen Aggressionslevel wieder auf ein friedliches Miteinander einzuschwören.
Denn zwischendurch geht es heftig zur Sache, was nicht unerheblich an der Komposition von Thom Willems liegt. In zwei Passagen wandeln sich die unauffällig-freundlichen Synthesizer-Klänge in überaus lautes Dröhnen und aggressives Knallen. So müssen Bombenangriffe im Krieg gewesen sein. Es folgt auch eine Szene mit verrenkt liegenden Körpern wie auf einem Schlachtfeld. Alle machen sich danach daran, die Pappen zu ordnen, was jedoch eher chaotisch abläuft. Dann versuchen sie gemeinsam ein Haus zu bauen, in dem sie komplett verschwinden. Und am Ende, da fängt alles wieder von vorne an. Wie eine Endlosschleife bei Videoprojektionen. „They were, they weren’t.“
Ach ja: die Darsteller haben Stöpsel im Ohr, soviel sieht man als Zuschauer und in den stillen Passagen hören die vorderen Reihen auch Geräusche daraus. Laut Programmheft hören die Tänzer „den Soundtrack der gefilmten Version einer Tragödie aus dem späten 16. Jahrhundert“ und bewegen sich danach. Die Zuschauer hören, wie gesagt, den wenig harmonischen Sound von Thom Willens. Ein Experiment, das eher Auswirkung auf die Akteure hat als auf das Publikum. Bis auf die Irritationen natürlich. Sein oder Nicht-Sein?
Kein Einlass für Kinder unter 12 Jahren. Weitere Aufführungen in Frankfurt am 8.-10., 13.- 16. März, 20 Uhr im Bockenheimer Depot, Frankfurt am Main
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