„Othello“ von Denis Untila und Michelle Yamamoto. Tanz: Armen Hakobyan, Yulia Tsoi 

„Othello“ von Denis Untila und Michelle Yamamoto. Tanz: Armen Hakobyan, Yulia Tsoi 

Gejagter Jago

Grandioses „Othello“-Ballett in Essen

Am Ende ist Jago der Gejagte - verdächtigt, Desdemona getötet zu haben. In der Tat ist er der Schuldige, zum Mörder geworden aus Neid auf Othello, der besaß, was er selbst haben wollte: politische Macht und Desdemonas Liebe.

Essen, 11/02/2013

Mit einer spannungsgeladenen, hoch aktuellen Choreografie nach Shakespeares Tragödie eines Außenseiters setzt das Team Denis Untila und Michelle Yamamoto ein Glanzlicht in die jüngere Essener Ballettgeschichte. Es ist die zweite choreografische Zusammenarbeit der beiden Tänzer der Aalto-Kompanie.

Eine kurze Szene zu Beginn und am Schluss bildet die Klammer um die Folge der 17 Bilder von Taten, Absichten, Gefühlszuständen: Der Sprung des von Trauer überwältigten Othello von der Brücke in den sicheren Tod, nachdem er Desdemona im Affekt gewürgt - aber nicht getötet - hat. Ein überraschend homogener Klangteppich aus Kammermusik, elektronischen Sphärenklängen und Alltagsgeräuschen von 13 Komponisten und Bands aus aller Welt begleitet den Tanz. Nur einmal „stört“ eine Nummer, Mikis Theodorakis' griechischer Sirtaki aus dem „Zorbas“-Film klingt rassig, wild - und allzu schön, als Höflinge und Hofdamen (apart und raffiniert kostümiert von Rosa Ana Chanzá Hernández), ausgelassen tanzen. Jago aber stört: listig ermuntert er den jungen Cassio, sich doch ruhig Desdemona zu nähern. Gleich darauf schleudert der Heuchler seine Rachelust mit der ganzen Wucht seiner schwarzen Gestalt in den Raum - wie Verdis Jago sein satanisches „Credo“. In teuflischem Tempo stampfen die Füße, biegt sich die schlanke Gestalt in schlangengleichen Windungen, ballen und spreizen sich die Hände, das Gesicht unter den pechschwarzen Locken ist zur Fratze verzerrt. Vor der kühn geschwungenen Brücke mit den engen Wendeltreppen, zwischen drei schwebenden Wänden (Bühne: Dmitrij Simkin), die immer dichter zusammenrücken, träufelt der Intrigant dem Mächtigen dann sein „Ohrengift“ ein. Stimmen und Geister bedrängen Othello zum Staccato eines Morseapparats - eine der faszinierendsten Szenen.

Wie in José Limòns unerreichter Othello-Choreografie „The Moor's Pavane“ treten nur vier Solisten auf: Othello (verhalten, bleich - fast blass in der Ausstrahlung: Armen Hakobyan) und Desdemona (zauberhaft, verletzlich: Yulia Tsoi), Jago (Inkarnation des Bösen: Breno Bittencourt) und Cassio (jugendlicher Muskelprotz: Simon Schilgen).

Die Tanzsprache der Choreografen ist eigenständig innovativ, berückend geschmeidig und elegant sportiv vor allem in den Pas de deux der Liebenden, von Streetdance-Elementen durchwoben besonders zur Charakterisierung von Cassio.

Wie im Flug vergehen die 90 pausenlosen Minuten der düsteren, dynamischen Aufführung. Dieses Othello-Ballett ist keine leichte, aber eine wahrlich köstliche Kost. Das Premierenpublikum geizte nicht mit Szenen- und Schlussapplaus für alle Künstler.
 

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