Altmeisterliches
Tanz im August: Neues von Jérôme Bel und Estelle Zhong Mengual sowie Meg Stuart und Francisco Camacho
Das Hau 3 zeigt „A Piece Danced Alone“ der griechisch-schweizerischen Performerin Alexandra Bachzetsis.
Auf der Bühne des HAU 3 herrscht Generalprobenatmosphäre. Hoch konzentriert strecken und dehnen Alexandra Bachzetsis und Anne Pajunen ihre Körper, laufen in lockeren Schritten über die Bühne und gehen noch einmal kleine Bewegungssequenzen durch.
Die logische Konsequenz aus solch einem intensiven körperlichen Warm-Up wäre eine Tanzeinlage. Stattdessen bricht Bachzetsis diese Erwartung und lässt − als eigentlichen Beginn der Performance − zwei Vorstellungsgespräche folgen. Nacheinander sitzen sie und Pajunen an einem Tisch im hinteren Teil des Bühnenraums. Mit ausdruckslosem Gesichtern sprechen sie in eine Kamera, die ihr Bild in der Totalen auf einen Fernsehbildschirm im Bühnenvordergrund überträgt. Unvermittelt beginnen sie den Zuschauern ihre jeweilige Biografie zu erzählen – zwei endlose Ketten von (fiktiven) beruflichen Erfolgen. Von Arroganz, Stolz oder Freude ist – wie man bei solch perfekten Lebensläufen vermuten dürfte − dabei in ihrer Stimme allerdings nichts zu hören. Im Gegenteil, beide Tänzerinnen erzählen sachlich und emotional völlig unbeteiligt.
Im Verlauf der Aufführung werden Bachzetsis und Panjunens Können − nun allerdings nicht mehr mittels Sprache, sondern mittels Tanz – gegeneinandergestellt. Abwechselnd präsentieren sie dabei in Solos stark kodierte Bewegungsbilder, insbesondere weiblicher Körper, aus der Pop Kultur, dem Showbusiness und der Sex-Industrie, aber auch solche aus dem Ballett. Zwischen den Tänzerinnen entsteht so eine Art Wettkampfsituation des weiblichen Geschlechts. Aufgabe der Konkurrentinnen scheint es dabei zu sein, die stark kodierten Bewegungsbilder möglichst unaufgeregt und mit technischer Perfektion zu präsentieren. Gerade diese in ihrer Neutralität von Yvonne Rainers tänzerischen Verfahren geprägte Ästhetik Bachzetsis, die sich einstellende Distanz zwischen der Bewegung und der die Bewegung ausführenden Person, scheint die stereotypen Repräsentationen der Popkultur zu brechen und in Frage zu stellen.
Über das Zitat einer berühmten Anfangsszene aus dem Kultfilm „Flashdance“ karikiert Bachzetsis den unermüdlichen Eifer seiner Hauptfigur Alex (die Namensparallele ist hier sicherlich kein Zufall), die wie eine Wahnsinnige für eine Aufnahmeprüfung an der Tanzakademie trainiert und dabei bis an ihre körperlichen Grenzen geht. Der Wettkampf des weiblichen Geschlechts im Tanzgeschäft macht die einzelne Tänzerin zu einer technisch funktionierenden Maschine und nimmt ihr jegliche Individualität. Bachzetsis posenhaft und schnörkellos ausgeführtes Bewegungszitat zum dazugehörigen emotionsgeladenen Song „Maniac“ von Michael Sembello sprengt den mit Stereotypen über die Tanzwelt und das weibliche Geschlecht in der Tanzwelt aufgeladenen Kontext, in dem der Film „Flashdance“ steht.
So macht auch das Kostümbild am Ende der Vorstellung Sinn (– beide Tänzerinnen tragen dunkelgraue Jeanszweiteiler und hohe weiße Turnschuhe): Letztlich sind Bachzetsis und Panjunen nicht nur aufgrund ihrer Kleidung gleich, sondern scheinen auch physisch austauschbar, wenn sie hintereinander stehend als ein Körper agieren. Dieser emotional entladene Umgang Bachzetsis mit Imitationen klischeebehafteter Bewegungssequenzen entlarvt nicht nur nach wie vor existierende romantisch verklärte Vorstellungen über das weibliche Geschlecht, sondern auch jene über die eigenen Branche. Ohne sich didaktischer Mittel zu bedienen, spornt die Choreografin ihr Publikum so dazu an, eine sozialkritische und dialektische Position einzunehmen.
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