Hommage an einen Großen des Ausdruckstanzes
Das DanceLab Berlin feiert im Dock 11 Harald Kreutzberg
„Not coming back“ – eine Frau, Silvia Ventura, wartet vergeblich auf die Rückkehr ihres Geliebten. Ihre Hoffnung erweist sich dabei zunehmend als sozialer Käfig. Silvia mimt die liebeskranke Hyäne im Kampf mit ihrer antrainierten Weiblichkeit. Hysterisch und selbstzerstörerisch, zugleich um eine äußere Rosa-Mädchen-Glückseligkeit bemüht, wird sie zum Opfer gesellschaftlicher Selbstentfremdung. In Szenen, die einer klassischen Nummerndramaturgie folgen – Popsong trifft auf Rock'n'Roll – versucht Morro die hier dargestellte Totalkrise durch komödiantische Einlagen aufzulockern. Aber schon den Peinlichkeits-Anflug nach einem One-Night-Stand und den Flirtversuch mit einem T-Shirt nimmt man Ventura nicht wirklich ab. Wenn sie am Ende des Solos mit Fragen und Komplimenten an einen imaginären Speeddatingpartner gegen den Song „As tears go by“ anschreit, ist die Befreiung der Frau aus ihrer anerzogenen Passivität endlich vollbracht.
Ganz anders zeigt sich dagegen Norbert Servos' „Dressed to kill“ – eine für Jorge Morro inszenierte tragisch-komische One-Man-Show. Morro spielt hier einen Verlassenen, dessen angekratztes Männerego einen manischen Schub provoziert. Im Racherausch malt sich der narzisstische Künstlertypus – ein Alleinunterhalter, der neben Tanz und Drama auch Piano kann – laut schreiend und gestikulierend unterschiedliche Mordszenarien aus. Das wirkt besonders dann komisch, wenn er im wutschnaubenden Gefecht mit seiner imaginären Frau die Rollen wechselt oder als Darth Vader im Brautkleid seiner Ex die dunkle Seite der Liebe zu verarbeiten sucht. Doch Servos setzt in seiner Inszenierung nicht bloß auf sympathischen Klamauk, mit dem er blinden männlichen Aktionismus ironisch beleuchtet. Er versteht das subtile Spiel auf dem menschlichen Emotions-Barometer. Mit Morros darstellerischen Geschick sowie einer gut gebauten Dramaturgie gelingen Servos glaubhafte Übergange in die Ernsthaftigkeit. Wenn Morro mit Asche verschmiertem Gesicht wie der letzte Überlebende einer Brandkatastrophe auf die Bühne tritt und in Zeitlupe ein lautloses Schreien simuliert, trifft einen das, wenn auch mit den plakativ symbolischen Mitteln des Tanztheaters, unmittelbar. Den räumlichen Kahlschlag, der auf solch eine Katastrophe folgt, übersetzt Servos am Ende des Solos in eine emotionale Leere: Der verlassene Verdränger erkennt seine Angst vor der Einsamkeit. Auch das ist ein ungefiltertes Geschlechterklischee, das in seiner stringenten Umsetzung als Tanztheater jedoch überzeugt.
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