Marco Goeckes Vertrag beendet
Die Staatsoper Hannover trennt sich mit sofortiger Wirkung von ihrem Ballettdirektor
Feuerprobe bestanden: Mario Schröders „Chaplin“ in Hannover
Fast vier Jahre nach der Leipziger Uraufführung studierte Mario Schröder jetzt gemeinsam mit seinem langjährigen Ballettmeister Roman Slomski sein „Chaplin“-Ballett an der Staatsoper Hannover ein. Die niedersächsische Compagnie von Jörg Mannes erwies sich bei der Premiere als glänzend disponiertes, spielfreudiges Ensemble. Die große Bühne brachte den aufwändigen Video- und Bühnenapparat mit Filmset-Technik und die fantasiereichen, teils authentischen Vorlagen nachempfundenen Kostüme von Ausstatter Paul Zoller bestens zur Geltung. Seine Repertoirefähigkeit hat das Ballett mit dieser Einstudierung allemal untermauert.
In dem hochgewachsenen Brasilianer Denis Piza steht Schröder ein Darsteller für die Titelrolle des legendären Filmkomikers zur Verfügung, der vor allem die Verletzlichkeit des Künstlers und Menschen recht brav in weißem Hemd und schwarzer Hose verkörpert. Die Weichheit ist sehr stimmig bei der Begegnung mit seinen drei Ehefrauen Mildred (Alexis Nicole Panos), Paulette (Lilit Hakobyan) und Oona (Mariateresa Molino). Chaplins angeblich ausgeprägte Geschäftstüchtigkeit zeigt sich indirekt in einer der besten Szenen des Balletts: steil bergauf geht die Hollywood-Karriere des Engländers in der Stummfilmzeit. Aus seiner Kunstfigur, dem kleinen Tramp mit Melone, Spazierstock und dem Watschelgang in den ellenlangen, nach außen gedrehten Schuhen wächst ein ganzes Heer und wird fabrikmäßig auf Celluloid-Streifen gespult. Schröder besetzt den ulkigen Landstreicher mit einer Tänzerin, um die weiblichen Seiten Chaplins zu unterstreichen. Die zierliche Catherine Franco ließ sich zu „niedlicher“ Koketterie glücklicherweise erst beim tosenden Schlussapplaus des Premierenpublikums verleiten. Federleicht, wendig, mit gut gespielter Naivität dem „großen Diktator“ gegenüber und kindlicher Angst vor dem Tonfilmmikrofon und Krieg zeigt sie große Bühnenpräsenz.
Man muss nicht alle Filme Chaplins kennen, um Anspielungen, Zitate oder Details zu verstehen. Selbstverständlich erkennt jedermann Hitler, wie er sich zusammengeknüllt und arglistig in einem weißen Ballon auf die Weltbühne schleicht, sich nach und nach aus dem Kokon schält und sich schließlich als Raupe mit großer Aura zu Wagners Lohengrin-Vorspiel davon macht. Pantelis Zikas gelingt eine perfekte Persiflage. Das tragische Ende der Karriere des deklarierten Kommunisten Chaplin im Zweiten Weltkrieg und die Abschiebung aus der amerikanischen Wahlheimat bedeutete zwar einen Neuanfang mit Ehefrau Oona in der Schweiz, aber auch den endgültigen Abschied vom Tramp, der als Silhouette auf einem besudelten Plakat zurückbleibt.
Wollte man den Finger auf eine Schwachstelle des eineinhalbstündigen, musikalisch vielschichtigen und aufwändig produzierten Balletts legen, so wäre es sicher der hektisch verwirrende Anfang: im geschäftigen Londoner Alltag leben Vater, Mutter und Kind armselig. Als Sängerin verdient die Mutter des kleinen Charles das tägliche Brot - bis zum physischen und psychischen Zusammenbruch. Das Kind übernimmt - und gewinnt. Sein Lebensweg ist klar vorgezeichnet.
Geschickte Szenenwechsel durch Verschieben oder Drehen einzelner Elemente sowie Projektionen und Beleuchtungseffekte sorgen für den filmisch flüssigen Ablauf der Chronologie. Es gelingt dem Chaplin-Verehrer und -Kenner Mario Schröder, die heikle Balance zwischen Biografie und Werk, Menschlichkeit und Geschäftsgebaren zu halten. Mehr noch: Schröder glorifiziert Chaplin nicht, sondern zeichnet ein wahrhaftiges, klares Konterfei des seit Kindertagen von ihm verehrten Weltstars.
Noch keine Beiträge
basierend auf den Schlüsselwörtern
Please login to post comments