Urban Dance wird akademisch
Urban Dance Academy in Heidelberg gegründet
Der Run auf die Hebelhalle zu diesem Gastspiel war größer als das Kartenkontingent. Einer, der es in die Vorstellung geschafft hat, war William Forsythe, einer der Top Ten der internationalen Choreografen-Riege. Er kam, um die Performance seines ehemaligen Solotänzers und Assistenten Antony Rizzi zu sehen – und besichtigte bei der Gelegenheit auch begeistert die neuen Räume des choreografischen Zentrums. So geht netzwerken in der Tanzszene, und Heidelberg ist mit seiner hochkarätigen Tanzbiennale für zehn Tage mittendrin.
Jan Fabre, der belgische Stückemacher mit Provokationsgarantie und der Wahl-Frankfurter Antony Rizzi sind mit Leib und Seele enfants terribles der internationalen Tanzszene. Es verwundert nicht, dass die beiden seit über 20 Jahren zusammenarbeiten. Vorläufiger Höhepunkt ihres Teamworks ist der ekstatische Monolog „Drugs kept me alive“, den Jan Fabre dem Freund 2012 auf den fragilen Leib geschneidert hat, mit deutlichen autobiografischen Bezügen.
„Bin ich krank?“ fragt Rizzi immer wieder, mal kokett, mal kleinlaut, mal provokant. Die Antwort kommt aus Hunderten von Pillenfläschchen, die als Zaun die Bühne eingrenzen: Kokain und Ketamin, Poppers und Speed, LSD und Ecstasy – dazu die volle Dröhnung Schmerzmittel, alles zum Aufputschen und Runterkommen. Es ist ein Leben am Rande des Abgrunds und muss gerade deswegen immer wieder in schwindelerregende Höhe getrieben werden: im Sex-, Liebes-, Drogen- und Schmerzrausch mit immer kürzerer Verweildauer. Bilder dafür liefern die reichlich tätige Schaummaschine und unzählige schillernde Seifenblasen. Sie sind – bis in Lebensgröße hingezaubert - die heimlichen Mitspieler dieser Ein-Mann-Show – augenfällige Symbole für das Leben in einer faszinierenden, fragilen Blase, deren Platzen nur eine kurze Frage der Zeit ist.
Antony Rizzi tanzt und tobt über die Bühne in dem sichtbaren Wissen, dass es vielleicht kein Morgen gibt – Tabus sind in so einer Lebenslage nicht angebracht. Sowieso thematisiert Antony Rizzi sein Schwulsein mit allen intimen Details gern leidenschaftlich auf der Bühne. Es ist spürbar sein Lebensthema, und so wirken auch drastische Einzelheiten nie aufgesetzt. Apropos Wirkung: Da gehört Antony Rizzi zu den Großen – ein Darsteller, der sein Publikum höchst professionell im Griff hat. Am Ende steht ein mahnendes Stillleben: Auf dem schwarz verhangenen Tisch liegt Rizzis Kopf wie ein Totenschädel; davor schwebt eine letzte rauchgefüllte Seifenblase – und zerplatzt.
Freimütig und charmant erzählte Antony Rizzi beim anschließenden „Artist Talk“ vom Umgang mit seiner eigenen Krankheit, vom täglichen Training, von der Hassliebe des Künstlers zum eigenen Körper: „Hauptsache, die Knie machen mit!“ – Ja, das wollen wir doch schwer hoffen!
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