„Verleihung des Alexander-von-Swaine-Preis“; v.l.n.r. Preisträger Gregor Glocke, Stifter Dr. Oskar Matzel, Schulleiter Prof. Dr. Ralf Stabel, Künstlerischer Leiter Prof. Gregor Seyffert

„Verleihung des Alexander-von-Swaine-Preis“; v.l.n.r. Preisträger Gregor Glocke, Stifter Dr. Oskar Matzel, Schulleiter Prof. Dr. Ralf Stabel, Künstlerischer Leiter Prof. Gregor Seyffert

Alexander von Swaine

Zum 110. Geburtstag

Fast vergessen ist dieser Ausnahmetänzer des 20. Jahrhunderts, der als einer der ersten modernen und klassischen Tanz verband. Nun kehrt er in Form eines Nachwuchs-Preises in die Tanzöffentlichkeit zurück.

Berlin, 27/12/2015

von Ralf Stabel

In Oslo hieß es anlässlich seines Auftretens in den 1930er Jahren: „Die Deutung, die Swaine der Musik und der Idee des Debussy’schen ›Faun‹ gab, liess Nijinsky wie einen artigen Schulknaben dagegen wirken.“ In Paris sah man in ihm auch im „Excelsior“ einen „Ausnahmekünstler“, dessen Interpretation des „Nachmittags eines Fauns“ den üblichen Interpretationen in der Tradition Nijinskys „bei Weitem überlegen“ sei. In Sofia urteilte man unumwunden, dass er „der grösste Tänzer unserer Zeit“ sei, „ein wirkliches Wunder“!

Der Begründer des Kölner Tanzarchivs, der Journalist Kurt Peters, schrieb in der von ihm gegründeten Zeitschrift „Das Tanzarchiv“ anlässlich seines 75. Geburtstags: „Ein Vulkan, der allen noch leuchtet, die ihn erlebt haben – all over the world.“ Und es hatten ihn Tausende und Abertausende erlebt – all over the world! Doch heute kennt ihn niemand mehr? Dabei konstatierte man in der „Neuen Preußischen Zeitung“ in den 1930er Jahren bereits, dass Alexander von Swaine „in die erste Reihe der grossen Tänzer vorgedrungen“ sei und orakelte: „Nijinsky – Kreutzberg – Swaine, so wird einmal die Geschichte des Tanzes die Verbindungslinie aufzeichnen.“

Doch nirgends wurde sie so aufgezeichnet, diese Verbindungslinie des Tanzes. Vaslav Nijinsky und Harald Kreutzberg kennt heute wohl nahezu jede/r am Tanz Interessierte. Aber über Alexander von Swaine schwieg die Geschichte des Tanzes.

Wer war dieser Mensch, dessen Geburtstag sich heute am 28.12.2015 zum 110. Mal jährt?

Geboren 1905 in München, gestorben 1990 in Cuernavaca, Mexiko, hat er das 20. Jahrhundert mit all seinen Höhen und Tiefen als Künstler aus Deutschland erlebt, durchlebt, durchlitten und bei ihm kann man es wohl wirklich sagen: überlebt. Im nationalsozialistischen Deutschland war er in KZ-Haft, während des Krieges sieben Jahre in Asien interniert und ist dort dem Tod nur knapp entronnen.

Als Tänzer entdeckt und ausgebildet wurde er in den 1920er Jahren in Potsdam und in Berlin sowohl im modernen als auch im klassischen Tanz. Und obwohl sich zu seiner Zeit diese beiden Tanzrichtungen noch feindlich gegenüber standen, hat er es vermocht, sie in seinen Kreationen zu einer einzigartigen Symbiose zusammen zu führen. Das war sein Markenzeichen: tänzerische Virtuosität UND darstellerische Expressivität! Damit war er seiner Zeit voraus. Da er dieses Konzept als Solist zum Beispiel an den Berliner Opernhäusern in den Choreografien anderer nicht umsetzen konnte, begann er eine unfassbar erfolgreiche internationale Karriere als Solotänzer. Auch damit war er seiner Zeit weit voraus. Von den 1930er bis zu den 1960er Jahren tourte er, oft begleitet von Tanzpartnerinnen, hier zu erwähnen allen anderen voran Lisa Czobel, auf allen fünf Kontinenten. Es scheint im Rückblick fast so, als wäre er drei Jahrzehnte lang auf Welttournee gewesen. Im Deutschen Tanzarchiv in Köln kann man dies in unzähligen Kritiken in nahezu allen Sprachen der Welt unter exzessiver Verwendung von Superlativen nachlesen.

Wie konnte er nach einer derartig einzigartigen supranationalen Karriere in Vergessenheit geraten? Zum einen saß er, während die Größen des deutschen Tanzes Karriere machten, in Gefängnissen. Zum anderen war er durch seine internationalen Tourneen für die darauf technisch und konzeptionell noch gar nicht eingestellten Medien einfach nicht fassbar. Eine solche Karriere war zu seiner Zeit (noch) gar nicht vor- und darstellbar. Auch seine Entscheidung, ab 1965 in Mexiko als Tanzpädagoge zu arbeiten, trug nicht dazu bei, dass man sich seiner in Deutschland erinnerte.

Doch das soll nun anders werden durch die Vergabe eines nach ihm benannten Preises. Am 15. Dezember 2015 wurde in der Berliner Staatsoper, in einer seiner einstigen Wirkungsstätten, erstmalig der „Alexander-von-Swaine-Preis“ an einen jungen Nachwuchstänzer verliehen. Initiiert und gestiftet wurde der dotierte Preis von „Pro Humanitate et Arte“. Er soll von nun an alle zwei Jahre vergeben werden.

Der 1. Preisträger, Gregor Glocke, wurde 1996 in München geboren und absolviert derzeit seine Ausbildung zum Bühnentänzer an der Staatlichen Ballettschule Berlin. Er tanzte an diesem Abend in der Vorstellung „The Contemporaries - Im Hier und Jetzt“ und wird am 9. und 11. Januar 2016 in weiteren Aufführungen dieses Abends zu erleben sein. Gregor Glocke gehört zu den sowohl tanztechnisch als auch expressiv herausragenden Nachwuchstalenten in der Welt des Tanzes.

Ziel des Preises ist es zum einen, außerordentliche Leistungen im Bühnentanz, insbesondere bei der Aneignung tänzerischer Virtuosität, Individualität und Kreativität bei einer jungen, am Anfang ihrer Bühnenkarriere stehenden Tänzerpersönlichkeit auszuzeichnen und sie somit auch in der Öffentlichkeit bekannt zu machen. Zum anderen soll damit gleichzeitig an den Ausnahmetänzer Alexander von Swaine erinnert werden. Der Anfang ist also gemacht. Herzlichen Glückwunsch!

Literaturtipp: „Alexander von Swaine – Tanzende Feuerseele“, Henschelverlag 2015
Rezension von Volkmar Draeger

 

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