Mit „Yes we can't“ verabschiedet sich die Forsythe Company aus Dresden

Mit „Yes we can't“ verabschiedet sich die Forsythe Company aus Dresden

Der große Spaß beim Scheitern

Mit „Yes we can't“ läutet die Forsythe Company ihren Abschied von Dresden ein

„Immer versucht. Immer gescheitert. Einerlei. Wieder versuchen. Wieder scheitern. Besser scheitern.“ Dieses Zitat von Samuel Beckett ist das Motto für die 2008 in Dresden uraufgeführte Choreografie von William Forsythe und seiner Company.

Dresden, 07/02/2015

Vor zehn Jahren begann die Arbeit der Forsythe Company in Dresden, jetzt geht sie zu Ende. Welches Stück würde besser passen, diesen Abschied zu begehen, als jene Hommage an das Scheitern mit den treffsicheren Seitenhieben auf die Welt des schönen Scheins, auf das um sich greifende, performative Kunstgewerbe, wo man so gerne alles will und so wenig kann.

Da sind sie wieder, 19 Tänzerinnen und Tänzer und der Pianist David Morrow, der mit seinen Kompositionen und Improvisationen live am Flügel immer wieder einbezogen wird in das schrille Spektakel. Schrill wie die Töne sind auch die Kostüme, die Perücken, das Schuhwerk, viel Glitzer. Bunt kommen sie auf die Bühne. Alle wollen an eines der drei Mikrophone. Gehört werden ist alles. Was man sagt, ist nicht so wichtig. Wortfetzen, Sprachspiele, hier herrscht so etwas wie babylonische Sprachverwirrung. Oder reden sie in Zungen, sind sie gar der Glossolalie verfallen?

Nichts ist hier heilig. Tanzstile werden demontiert, veralbert, karikiert. Das geht natürlich nur, wenn man das, worüber man sich lustig macht, kann. Keine Frage, sie können es fast alle noch, folkloristisch, russisch oder chinesisch mit Staubwedeln, auch mal klassisch im Sprung und auf Spitze. Sie zittern und zappeln, sie springen und stürzen, sie kämpfen mit Materialien und verheddern sich in Kostümen. Was ist hier eigentlich los, fragen sie sich, fragen sie uns. Alles offen, alles möglich, wenn der Theaterschnee vom Bühnenhimmel fällt und eine bedrohliche, übergroße Regenbogenfahne über den mehr oder weniger tiefsinnigen Scherzen weht.

Jetzt geht die Party richtig los, da werden Stars und Sternchen veralbert, alle dürfen mal ganz öffentlich wollen, was sie nicht können - oder wie soll man diesen schönen, paradoxen Ruf „Yes we can´t“ angesichts der aktuellen Lage verstehen? 2008 dachte man an Obamas Wahlkampfslogan, manche Leute hörten darin auch so etwas wie eine freundlich Warnung. Die wäre heute angebrachter denn je, wo Alleskönner überhandnehmen und doch nichts richtig in die Hand nehmen können. Da ist es schon befreiend, wenn 19 Tänzerinnen und Tänzer sich dem ungesicherten Spaß am Scheitern hingeben. Sie schießen wild um sich mit Wortspielen und Anspielungen. Nicht jeder Schuss trifft, etliche gehen auch nach hinten los, manche verrecken an der Oberfläche. Sie wollen in die Höhe und landen tief, nicht immer ganz sanft - die Tanzkunst als optisch wahrnehmbare Philosophie des Scheiterns?

So wie zu Beginn alle um ihren Platz an der Rampe und an den Mikrophonen rangelten, so verzögern sie am Ende ihre Abgänge. Doch sie wollen noch einmal scheitern, was kann auch schöner sein. Also geht es weiter. Und dann ist auch das schönste Scheitern nervig. Dann schleicht sich der Gedanke ein, ob es nicht doch besser gewesen wäre, schon nach 50 Minuten einzusehen, dass auch dem Scheitern Grenzen gesetzt sind. Nach gut 80 Minuten ist Schluss, der Schnee rieselt wieder, der letzte Ton verklingt, das Licht verlischt.

Sag beim Abschied, leise Scheitern... Es ist ein schöner Abschied von der Forsythe Company, nach zehn Jahren. Der Meister konnte nicht dabei sein, er ist erkrankt und darf nicht fliegen. Gute Besserung! Und guten Start, demnächst in Paris, da geht es weiter. Die nächste Welturaufführung ist schon angekündigt.

Weitere Aufführungen: 7., 8., 11., 12., 13., 14. Februar, 20.00 Uhr

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