„Vielfalt“ von Nicole Peisl in Frankfurt
„Vielfalt“ von Nicole Peisl in Frankfurt

Es seufzt und kiekst

„Vielfalt“, „Ro Sad é“ und „Legítimo/Rezo“

Wieder mal zu Gast im Frankfurt LAB und wieder überraschen die Tänzerinnen und Tänzer der Forsythe Company mit selbst choreografierten, experimentellen Bewegungsstudien. Dabei war das Publikum nicht auf Sitzen und Schauen reduziert.

Frankfurt am Main, 07/03/2015

Wieder mal zu Gast im Frankfurt LAB und wieder überraschen die Tänzerinnen und Tänzer der Forsythe Company mit selbst choreografierten, experimentellen Bewegungsstudien. Das Publikum war nicht auf Sitzen und Schauen reduziert, sondern musste nach dem ersten Stück „Vielfalt“ den Raum wechseln, durfte sich nach dem zweiten Stück „Legitimo / Rezo“ nicht nur bewegen, sondern wurde sogar Teil der Installation „Ro Sad é“.

„Vielfalt“ ist eine choreografische Studie von Nicole Peisl. Die Wiederaufnahmepremiere zeigt in 45 Minuten den Kontrast zwischen der Entdeckung der Langsamkeit und dem plötzlichem Herumwirbeln, das Ganze in fast durchgängig heller Beleuchtung zelebriert von den beiden Tänzerinnen Satu Herrala und Elena Giannotti. Lange Gummischnüre sind das einzige Requisit, sie dienen dem Geräuschemachen, mal ist es ein Sirren, mal ein lautes Klatschen. Sie werden straff gehalten und bis zum äußersten gedehnt, auf anstrengende Weise aufgewickelt und behutsam abgelegt, auch mal bedrohlich nah vor die Köpfe des Publikums gebracht. Dieses sitzt nämlich, wie öfter bei Forsytheschen Produktionen, in je zwei Stuhlreihen an den Längsseiten des Tanzbodens. Wenn die Tänzerinnen außen an den Schmalseiten im Stillstand verharren, dann sind die Köpfe der Zuschauenden in Hin-und-Her-Bewegung. Außer dem Tappen der Turnschuhe, dem Atem der Tänzerinnen und dem Gummisirren ist nur der Autoverkehr draußen zu hören.

Im Probenraum der Forsythe Company erwartet das Publikum dann Dunkelheit, am hellsten leuchtet noch der blaue Fußbodenbelag. Ein Spot beleuchtet plötzlich ein aufgehängte Puppe in der Ecke, die in Lebensgröße und Kleidung der Tänzerin Jone San Martin ähnelt. Ihr Solo „Legitimo / Rezo“ hat sie gemeinsam mit William Forsythe und Josh Johnson erarbeitet, die Aufführung ist eine Deutschlandpremiere. Diese Bewegungsstudie bindet die menschliche Stimme mit ein. Auf eine sprachlich-rhythmische Unterlegung seufzt und kiekst, brabbelt und brummt die Tänzerin in elektronischer Verzerrung, passend zu ihren extremen Bewegungen. Es dauert nur packende 10 Minuten.

Dann öffnet sich die Rückwand zu dramatisch gongartigen Klängen. Das Publikum wird aufgefordert näher zu treten und die Installation in dem Raum dahinter zu bestaunen. Dies entwickelt sich zu einer Art Kunstvernissage mit DJ-Begleitung, die als „romantische Geste eines Objekts von SAD“ bezeichnet wird. Die Forsythe-Tänzer Cyril Baldy und Josh Johnson haben zu einem Lovesong von Sade (Is ist a crime?) kitschige Objekte geschaffen: eine Vitrine mit roten Blütenblättern, die von einem Luftstrom hochgewirbelt werden, schwarze Plastikbären, die an Schnüren aufgehängt die Rückwand zieren. Auf einem beleuchteten Tisch wird sogar Likör in Gläschen angeboten. In der neblig-dunklen Atmosphäre des Raumes bewegt sich eine Besucherin vorsichtig zur Musik, doch der Funke springt nicht über. Als die Außentüren sich öffnen verziehen sich die Leute nach und nach. Mehr als eine Persiflage war diese Uraufführung nicht, aber mit hohem technischen Aufwand.

Noch bis 8. März im Frankfurt LAB, Schmidtstraße 12.

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