Ashtons „La fille mal gardée“ am Royal Ballet

Ashtons „La fille mal gardée“ am Royal Ballet

Spitze, Kralle, Huf und Holzschuh

Frederick Ashtons „Fille mal gardée“ im Londoner Royal Opera House

Es ist eines der wenigen wirklich gelungenen komischen abendfüllenden Handlungsballette des Repertoires. So nimmt es nicht wunder, dass es 55 Jahre nach der Uraufführung am Royal Ballet zahlreiche Bühnen weltweit erobert hat.

London, 28/04/2015

Frederick Ashtons Ballett „La fille mal gardée“ ist ein Meisterwerk des britischen Humors und eines der wenigen wirklich gelungenen komischen abendfüllenden Handlungsballette des Repertoires. So nimmt es nicht wunder, dass das Ballett um die Bäuerin Lise, die gegen den Willen ihrer Mutter Simone den mittellosen Colas anstelle des wohlhabenden Alain heiratet, 55 Jahre nach der Uraufführung am Royal Ballet im Jahr 1960 zahlreiche Bühnen weltweit erobert hat und sich dort und in seiner Heimatkompanie unverminderter Beliebtheit erfreut.

Die einfache Geschichte bot Ashton, der kein Freund komplexer literarischer Handlungen war, viel Freiraum zur Entfaltung seiner beachtlichen choreografischen Phantasie, die sich vor allem in den flüssigen und virtuosen Soli und Pas de deux der Solisten zeigt. Er schuf einige tänzerisch und darstellerisch höchst anspruchsvolle Rollen und originelle Tanzpassagen: vom Hühnertanz zu Beginn über den Holzschuhtanz der Witwe Simone bis zum Tanz des eigenwilligen Alain mit seinem heiß geliebten feuerroten Regenschirm. Das Royal Ballet fügte in diesem Jahr noch ein Tänzchen des Ponys hinzu, das Simones Wagen zieht. Dieses rief beim Publikum eine ebenso entzückte Reaktion hervor wie Osbert Lancasters frech farbenfrohes Bühnenbild, das einen idealen Rahmen des Balletts bildet.

Trotz seines französischen Titels, der auf die Uraufführung des Balletts in einer Choreografie von Jean Dauberval wenige Tage vor dem Sturm auf die Bastille zurückgeht, wurde Ashtons „Fille mal gardée“ oft als eines der englischsten Ballette des Repertoires und Paradebeispiel des besonders lyrischen und musikalischen englischen Stils bezeichnet. Dieser wird heute noch im einst von Ashton geleiteten Royal Ballet gepflegt, und tatsächlich gibt es deutliche Unterschiede zwischen der Art, wie das Ballett in London und beispielsweise an der Pariser Oper aufgeführt wird, an der Jean Dauberval seine Karriere begann. Wo in Paris großer Wert auf technische Virtuosität gelegt und die Pantomime oft expressionistisch mit grobem Pinselstrich gezeichnet wird, herrscht in der königlichen englischen Kompanie bei aller vermeintlichen Bäuerlichkeit zurückhaltende Eleganz und augenzwinkernde Komik vor.

Diese britische Eigenheit wurde am letzten Wochenende im Royal Opera House besonders deutlich in der Darstellung des Winzersohnes Alain und der resoluten Simone, die von Tristan Dyer und Jonathan Howells subtil und ohne allzu große Übertreibung interpretiert wurden. Letztere(r) verführte durch seinen unwiderstehlichen Holzschuhtanz selbst Alains noch sehr rüstigen Vater Thomas (Alastair Marriott), dessen beginnender Romanze mit Simone durch Lises Ehe mit Alains Rivalen Colas ein abruptes Ende gesetzt wurde. In den Rollen der jungen Liebenden gaben Yuhui Choe und Alexander Campbell nach einem etwas zögerlichen Anfang eine erfrischende Darbietung. Campbell erwies sich als sicherer Partner und tat sich durch präzise Pirouetten in seinem Hochzeitssolo hervor. Choe entwickelte vor allem im Fanny Elssler-Pas de deux und bei den Läufen auf Spitze beachtliche Schnelligkeit und Präzision. Das Corps de Ballet zeigte sich bei allem Elan etwas unkoordiniert und hatte gewisse Probleme mit der Handhabung der Bänder, die Ashtons Ballett leitmotivisch durchziehen. Das Orchester unter dem Taktstab von Barry Wordsworth interpretierte John Lanchberys musikalisches Arrangement nach Ferdinand Hérolds Pariser Fassung des Balletts aus dem Jahr 1828 makellos und mit hörbarem Vergnügen.

„La fille mal gardée“ wird am 5. Mai um 20h15 live aus dem Royal Opera House in ausgewählte deutsche Kinos übertragen, mit Natalia Osipova und Steven MacRae in den Hauptrollen. Weitere Informationen auf http://www.roh.org.uk/cinemas

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