Staatliche Ballettschule und Schule für Artistik, Berlin mit einer Choreografie von Marco Goecke
Staatliche Ballettschule und Schule für Artistik, Berlin mit einer Choreografie von Marco Goecke

5. Biennale Tanzausbildung 2016

Pick bloggt über zwei Galas auf hohem Niveau

Die bei der 5. Biennale Tanzausbildung mitwirkenden Ausbildungsinstitute präsentierten nicht nur Können. In sieben intensiven Tagen tauschten sich Studierende und Lehrende von zehn nationalen und fünf internationalen Tanzinstitutionen über Feedback und Reflexion aus.

Köln, 18/02/2016

Die Eröffnung der 5. Biennale Tanzausbildung 2016 in Köln brachte alle zehn Institute aus Baden-Württemberg, Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, NRW und Sachsen auf die Bühne der Kölner Oper, die zurzeit für zwei Jahre ein Ausweichquartier im Staatenhaus in Deutz bei der Messe gefunden hat.

Die Intendantin Birgit Meyer ließ es sich nicht nehmen als Hausherrin in einer kurzen Begrüßung glaubhaft zum Ausdruck zu bringen, wie sehr sie bedauere, dass sie dieses Haus ohne Ballettensemble übernommen habe und ihr das Budget fehle außer bei Gastspielen dem Publikum kontinuierlich Tanz bieten zu können. Die weiteren Ansprachen, die fast eine halbe Stunde dauerten, waren nichts weiter, als dass Land und Stadt sich lobten, wie sehr man sich freue, diese Veranstaltung nach Köln gezogen zu haben und wie großartig das alles sei.

Tatsächlich wird zur wahren Eröffnung dieses Theaterabends eine Choreografie von Marko Goecke „All Long Dem Day“ zugleich zum Höhepunkt dieses Marathons von fast sechs Stunden an zwei Abenden. Besser als die Absolventen der Staatlichen Ballettschule Berlin kann kein Profi-Ensemble dieses schwierige Stück tanzen und damit hat sich dieses Institut in neuem Glanz unter der Künstlerischen Leitung der Fachrichtung Bühnentanz von Gregor Seyfert wieder an die Stelle gearbeitet, die sie schon in der DDR hatte.

Die Ballettschule der Staatsoper Hamburg tanzt eine Choreografie von John Hewitt „Ad Astra Per Aspera“. Merkwürdigerweise scheint sie den Atem des Direktors John Neumeier zu haben und damit können die Studierenden doch auf der Basis einer rundum guten Ausbildung einen großen Erfolg für sich verbuchen.

Auch die Schule, die den Namen ihres Gründers John Cranko trägt, hat die Tradition zu diesem Gastspiel nach Köln mitgebracht. Eine neoklassische Choreografie „Italiana“ von Nicola Biasutti, die ein wenig an Crankos Mozart-Ballett erinnert. Wenigstens dieses Stück, das der Direktor Tadeusz Matacz ausgewählt hat, zeigt was die Basis eines professionellen Tänzers sein muss. Auch wenn die beiden Ballerinen und fünf Herren hier ein wenig aus dem ach so fortschrittlichen Rahmen fallen.

Birgit Keil, die die verschlafene Tanzsparte der Mannheimer Musikhochschule seit ihrer Übernahme in Rekordtempo auf Weltniveau gebracht hat, hatte bei der Choreografin Young Soon Hue-Simon ein Werk in Auftrag gegeben, das den Titel trägt „The Edge of the circle“. Auch diese Tänzer sind einer total anderen anspruchsvollen Bewegungssprache vorzüglich Herr geworden und sie strahlen sogar Spaß aus dabei.

Die Ballettakademie der Hochschule für Musik und Theater München unter der Leitung von Jan Broeckx gab dem Jungchoreografen David Russo die Chance mit dem Stück „Feed-back melody“ seine Absolventen vorzustellen. Gut getanzt ohne Zweifel, aber es wäre bei einem choreografischen Wettbewerb sicher besser aufgehoben gewesen, denn technisch ist es nicht wirklich anspruchsvoll.

Was mich besonders gefreut hat, war die Tanzabteilung der Frankfurter Hochschule, die Dieter Heitkamp leitet, den ich länger nicht gesehen hatte. Man hat sich aus der Ecke Freie Szene zu den Etablierten entwickelt und mit einer Choreografie von Marguerite Donlon ein sehr anspruchsvolles Stück geholt, oder besser erarbeitet, mit dem Titel „And … A feedback collaboration between dancers and choreographer“. Also kein Wunder, dass sie das gern und gut auf dieser schönen Bühne gezeigt haben.

Die Die Palucca Hochschule für Tanz Dresden, deren Rektor seit einigen Jahren Jason Beechey ist, hat ein nettes Stück „Reminiscense“ mit Ihsan Rustem erarbeitet, aber leider bleibt es auch bei der Nettigkeit. Es gibt nur zwei Möglichkeiten, entweder die Absolventen haben nicht mehr drauf, oder Rustam hat sie nicht mehr gefordert. In einem anschließenden Publikumsgespräch in englischer Sprache wurde aber erläutert, wie wertvoll den jungen Leuten die künstlerische Zusammenarbeit mit Rustam war.

Eigentlich war das bisher die Domäne der Folkwangschule, jetzt Universität. Da ich selbst aus dieser Schule komme, weiß ich, wovon ich rede; künstlerisch großkopfert, aber tanztechnisch mager! Trotzdem waren die Folkwängler dieses Jahr für mich die Überraschung, denn sie haben sich erstmalig an ihre Wurzeln erinnert, und die heißen: Laban, Jooss und Leder – und zwar durch Jean Cébron, einen der originellsten Choreografen der 60er und 70er Jahre des Weltkriegsjahrhunderts, der diese Wurzeln offensichtlich weitergegeben hat (zu meiner Zeit war diese Zeit des Ausdruckstanzes noch ausgeklammert).

Als die Studenten im Bewegungschorstil der Wigman eine Etüde ablieferten, wurde mir ganz anders und ich dachte: jetzt sind die in Essen-Werden ganz durchgedreht! Die Erklärung kam glücklicherweise sofort durch einen Film. Diese Etude von Jean war durch eine aufgeschriebene Partitur zum Leben erweckt worden und anschließend dann durch Soli, Trios und Duette erweitert. Für die Teile des Publikums, die von Kinetographie nichts wissen, war das alles hoffentlich interessant. Für mich war das Fazit allerdings, dass der Witz, den Jeans Choreografien hatten, leider nicht in einer Partitur zu lesen sind.

Ws gab noch zwei Bonbons von Gästen, nämlich „Inventories“ von Nikko Niemisto aus Rotterdam und aus Toronto „Lamento della Ninfa“ von Stephen Shropshire. Beide Choreografien wurden von jeweils einem der Tänzer großartig getanzt. Hut ab! Über die Gastbeiträge aus Stockholm und Amsterdam sowie die der Deutschen Institute Zentrum für Zeitgenössischen Tanz Köln und Hochschulübergreifendes Zentrum Tanz Berlin schweigt des Bloggers Höflichkeit.

Der einzige Gedanke, den ich dazu noch loswerden möchte, ist: Ausgerechnet NRW und Berlin leisten sich auf engstem Raum zwei staatliche Ausbildungsinstitute, obwohl sie finanztechnisch hinten und vorne nicht wissen, wie sie die viel zu kleine Finanzdecke strecken sollen, aber für ein weiteres Tanzensemble reicht es nicht.

 

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