„Mire“ von Jasmine Morand

„Mire“ von Jasmine Morand 

Kaleidoskop der Körper

Jasmine Morands „Mire“ hatte am Théâtre de Vevey Premiere

Langsam gleiten die Körper von einer Formation in die nächste, halten kurz inne, aber nur um dann in ihrer Bewegung fortzufahren. Verschlungene Körperbilder zaubert die Schweizer Choreografin einem Kaleidoskop gleich an die Decke des Theaters.

Genf, 17/09/2016

Langsam gleiten sie von einer Formation in die nächste, halten kurz inne, aber nur um dann, als wäre nichts gewesen, in ihrer Bewegung fortzufahren. Verschlungene Körperbilder zaubert die Schweizer Choreografin Jasmine Morand einem Kaleidoskop gleich an die Decke des Théâtre de Vevey am Genfer See. Ja, an die Decke. Denn nur über die am Schnürboden befestigten Spiegelplatten sind die zwölf Tänzerinnen und Tänzer, die hinter einer runden, schwarzen, zwölfeckigen, nur durch winzig-schmale vertikale Schlitze einsehbaren Wand (der ganze Aufbau erinnert an ein Zoetrop) tanzen, zu sehen. Da heißt es erst einmal ‚Schuhe aus’ für alle Besucher, die sich auf Socken oder barfuß an den zugedeckten Stuhlreihen des kleinen Theaters vorbei langsam auf die Bühne tasten. Dort liegen dünne Matten bereit, gruppiert in einem Kreis um die Tänzer der Cie Prototype Status. Wo und wie man sich bettet, bleibt einem selbst überlassen – der Blick sollte jedoch nach oben gerichtet sein.

Gut fügt sich „Mire“ in das „Festival Images Vevey“ für zeitgenössische Fotografie ein, in dessen Rahmen es eine Woche zweimal täglich gezeigt wird. Nach einem Spaziergang durch die Stadt, die an verschiedenen Orten mit den Werken internationaler Fotografen mal groß- mal kleinformatig, mal hinter Wänden versteckt oder luftig in Bäumen hängend den Blick auf die Welt auf sanfte Art in neue Richtungen lenkt, ist man gut vorbereitet für dieses visuelle Kunstwerk aus Haut, Körperkonturen und Bewegung. Sanfte Klänge, nur unterbrochen durch das leise Atmen der Tänzer verbreiten eine Ruhe, die einen immer tiefer eintauchen lässt in ein zeitlos erscheinendes Kontinuum.

Wie die wechselnden Muster eines Kaleidoskops verschlingen sich die nackten Körper ineinander. Auch an die Filme von Busby Berkley könnte man denken. Langsame, konzentrierte und beeindruckend synchrone Bewegungen lassen die zwölf Tänzer zu einem Ganzen verschmelzen. Über fünfundvierzig Minuten entstehen Formen, zuerst flach am Boden, dann weiten sie sich auch in die Vertikale aus. Was am Anfang ganz nach abstrakter Form aussieht, entwickelt nach und nach, fast unmerklich, einen dramaturgischen Spannungsbogen. Aus der reinen Form lösen sich einzelne Gruppen, Personenkonstellationen entstehen: Tableaux vivants könnte man darin sehen, ein narratives Moment scheint auf.

Ein Spiel mit der Schönheit im klassischen Sinn, der Schönheit von Körper und Form, distanziert über die Betrachtung im Spiegel, nah durch die Nacktheit der Körper, hat Jasmine Morand entworfen, in dem sie ihr Publikum sanft in ungewohnt langsame und meditative Bildwelten eintauchen lässt.
 

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