„NEXTtoME“ von Máté Mészáros. Tanz: Pilgyun Jeong und Nóra Horváth

„NEXTtoME“ von Máté Mészáros. Tanz: Pilgyun Jeong und Nóra Horváth

Alles im Fluss

Premiere von „NEXTtoME“ von Máté Mészáros / Unusual Symptoms am Theater Bremen

Der junge ungarische Choreograf zeigt den Menschen im Spannungsfeld zwischen Autonomie und der Sehnsucht nach Nähe.

Bremen, 30/05/2016

Mit „NEXTtoME“ stellt sich der junge ungarische Choreograf Máté Mészáros in Bremen erstmals dem deutschen Publikum vor. Thema seiner Choreografie, die er für das sechsköpfige Ensemble mit Tänzer*innen der Kompanie von Samir Akika sowie Gästen aus Ungarn und Belgien entwickelt hat, sind die Mechanismen und Dynamiken menschlicher Beziehungen sowie das Prinzip der Begegnung. Sie zeigt den Menschen im Spannungsfeld zwischen Autonomie und der Sehnsucht nach Nähe.

Zwei Tänzer und vier Tänzerinnen laufen hin und her, beäugen sich gegenseitig, halten inne und kommen wieder in Bewegung. Auf der Bühne des Schauspielhauses steht ein, aus Metallrahmen gefertigter offener Würfel, in den das Ensemble ein- und ausgeht - innen und außen begegnen sie sich. Ein daraus plötzlich entstehendes Duo beginnt schnell und geschmeidig zu tanzen. Ein Dritter kommt dazu und einer geht wieder weiter, zusammen mit den anderen, die gerade nicht beteiligt sind. Wenn vereinzelt Tänzer*innen wie Skulpturen im Raum innehalten, während sich irgendwo ein neues Solo, Duo oder Trio tänzerisch formiert, zeichnet „NEXTtoME“ durch die ständige Bewegung des Ensembles Bilder, die eine sich ständig verändernde Gemeinschaft darstellen.

In der Abhängigkeit von den anderen sowie in dieser ständigen Veränderung möchte Mészáros uns die Brüchigkeit unserer Lebenswelt sowie unserer individuellen Souveränität deutlich machen. Dabei sieht er unser Grundbedürfnis nach Nähe, Berührung und Gemeinschaft als selbstverständlich an und nicht als Verlust an Souveränität. Máté Mészáros tanzte jahrelang in weltberühmten Kompanien wie „Carte Blanche“ oder „Ultima Vez“, bevor er 2010 als Choreograf debütierte und seitdem als einer der interessantesten Nachwuchschoreografen der internationalen Tanzszene gilt.

Bei „NEXTtoME“ hält Mészáros alles in ständigem Fluss. Energien und Tempi wechseln schnell und die Körper der Tänzer und Tänzerinnen werden in den Begegnungen regelrecht zu Forschungsobjekten. Wie Atome rasen sie aufeinander zu oder stoßen sich ab. Körper werden gedreht, gezogen, geschoben, getragen oder weggeklatscht. Eine scheinbare Unberechenbarkeit lässt sie mal spannungsvoll flirren, oder wie nasse Lappen ineinander zusammensinken. Den Takt, das Tempo dazu geben, besonders im ersten Teil des 70-minütigen Tanztheaterabends, die fordernden Technoklänge (Musik: Sebastian Reuschel), die manchmal auch Clubatmosphäre erschaffen und dementsprechende Bewegungen herausfordern. Später tritt die Musik leiser mit Klangcollagen in den Hintergrund.

Die Bewegungssprache in „NEXTtoME“ setzt sich vordergründig aus Modern, Contact und Streetdance mit akrobatischen Einlagen zusammen. Das auffallend schöne Duo von Pilgyun Jeong aus der Bremer Tanztruppe und der ungarischen Gasttänzerin Nóra Horváth zeigt zudem gleichermaßen exakt, wie witzig und anrührend-zärtlich auch pantomimische Momente sein können. Beinahe ebenso herausragend tanzt Jeong mit der aus Helsinki stammenden Gasttänzerin Jenna Jalonen, wobei die Bewegungen hier, insbesondere bei der wirbelnden Jalonen immer wieder an die Grenzen körperlicher Möglichkeiten gehen.

„NEXTtoME“ bietet einen interessanten Tanztheaterabend, der an eine Versuchsanordnung erinnert, die in ihrem assoziativen Erzählstil nur Vages zeigt. Die Máté Mészáros nachgesagte konsequente Suche nach einer Formensprache innerhalb seines jeweiligen Themas hat hier zur Folge, dass die gezeigten Bilder irgendwann ausgereizt sind, wie nach einem erschöpfenden Training. Das lässt die Choreografie mitunter langatmig wirken. Gerade dann, wenn sie zu sehr im Außen, in der Form bleibt und dann eher verwundert als berührt. Auch die fehlende Homogenität des Ensembles macht diesen zwar anregenden und interessanten Abend letztendlich nicht wirklich rund.
 

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