„Prisms“ von Benoît Lachambre

„Prisms“ von Benoît Lachambre

Rushhour in Düsseldorf

Die Tanzwelt traf sich bei der internationalen tanzmesse nrw am Rhein

An einen gewissen Geräuschpegel musste man sich schnell gewöhnen. Wie sollte es auch anders sein bei einer Vielzahl an Messeständen und den ungefähr 1800 erwarteten Besuchern.

Düsseldorf, 03/09/2016

An einen gewissen Geräuschpegel musste man sich bei der internationalen tanzmesse nrw schnell gewöhnen. Wie sollte es auch anders sein bei dieser Vielzahl an medientechnisch vorbildlich ausgestatteten Messeständen und den ungefähr 1800 erwarteten Besuchern. Der eigentliche Grund eines solchen weltumspannenden Branchentreffens ist selbstverständlich nach wie vor das persönliche Gespräch zwischen Kompaniemanager, Agent, Choreograf, Tänzer und Presse. Neben Videoaufzeichnungen der neuesten Stücke aus aller Herren Länder, schwirrt also auch ein lebhaftes Geschnatter durch die Hallen. Vermutlich ergaben sich die wichtigsten Gespräche, trotz des großen Andrangs an den Ständen, wohl an der Cafébar des NRW-Forums oder im mit zahlreichen Sitzgelegenheiten ausgestatteten Außenbereich des tanzhaus nrw.

In den Messehallen schie die ganze Welt vertreten: Hongkong, Singapur, Taiwan und Korea versprachen sich sichtbar viel von dem Treffen am Rhein, aufwändig gestaltet sind die Stände, zahlreich die Werbemittel. Das Hongkonger Logo zierte sogar die offizielle tanzmesse-Tasche. Die skandinavischen Länder präsentierten sich nicht nur einzeln, sondern auch in nationenübergreifenden Netzwerken. Großbritannien schien nach dem Brexit noch einmal betonen zu wollen, dass es sich als Teil einer international vernetzten Tanzszene versteht und ist deutlich präsent. Die Betonung des ‚Nationalen’ überraschte in Zeiten der betonten Globalisierung und Grenzenlosigkeit zuerst, liegt aber im Zuge aktueller politischer Entwicklungen wohl doch im Trend. Nicht nur in den Messehallen dominierten Länder und Regionen, auch mit dem neuen Format der „Focus Forums“ richtet die tanzmesse ihren Blick auf geografische Räume. So präsentierten zum Beispiel im „Southern Italian Focus Forum“ sieben Kompanien aus Neapel, Bari, den Abruzzen und Rom Ausschnitte aus ihren aktuellen Produktionen. Eine betont tänzerische Körperlichkeit, Schlichtheit in Kostüm und Requisiten sowie deutliche Alltagsbezüge mit humorvollen Reminiszenzen an die Selfie-Kultur wie gesellschaftliche Kritik an tradierten Geschlechterrollen und dem Stellenwert der Kirche zogen sich wie ein roter Faden durch die sieben Werke. Interessant ist dieses Format in erster Linie für international nicht im Fokus stehende Regionen, da deren Choreografen in einer reinen ‚Namenskonkurrenz’, wie sie bei einzelnen Programmpunkten fast unvermeidlich ist, wohl den Kürzeren ziehen würden. Der überschaubare Rahmen lieferte im Anschluss an die Showings auch die Möglichkeit eines ersten Gesprächs mit den Choreografen.

Damit lehnte sich das neue Format an den intimen Rahmen der „Open Studios“ an, in denen einzelne Choreografen oder Kompanien kurze Ausschnitte, meist works in progress, zeigten und dem Fachpublikum im Anschluss Rede und Antwort standen. So wie zum Beispiel die französische Kompanie ARCOSM, die sich auf humorvolle Weise mit der Beziehung von Musik und Bewegung auseinandersetzt und ihr in Alltagssituationen nachspürt, oder Elysa Wendi aus Singapur, die noch am Anfang ihres Performing-Reading-Konzepts steht.

Mehr Diskussionsmöglichkeiten boten die „T-Talks“, die in diesem Jahr erstmals allgemeine Themen der Tanzszene aufgriffen. In den eineinhalbstündigen Podiumsdiskussionen blieb Raum für kritische Nachfragen oder die ein oder andere neue Idee. Die großen thematischen Durchbrüche waren jedoch nicht zu erwarten, vielmehr stand ein erster internationaler Austausch im Vordergrund. Und da zeigten sich schon deutliche Unterschiede, zum Beispiel bei der Situation von inklusiven Tanzprojekten in Deutschland, Großbritannien oder Frankreich - eingeladen hatte das British Counsil zum T-Talk „Representing Differences: the aesthetics and politics of presenting different bodies on stage“.

Ähnlich gestaltete sich auch das Performanceprogramm, das mit mindestens sechs parallel laufenden Aufführungen jeden Abend eine große Bandbreite zeigte, damit aber Gefahr läuft ins Beliebige abzurutschen. Nicht inhaltlich kuratiert war diese Auswahl, was angesichts der vielen oft thematisch orientierten Festivals ungewohnt ist, aber durchaus ob der Vielfalt seinen Reiz haben kann. Die Begeisterung für ein oder zwei großartige neue Produktionen war nicht zu spüren, große Enttäuschung machte sich aber ebenso wenig breit. Optisch beeindruckend, humoristisch spielend mit stilisierten Jugendstil- und Antikentableaux und dabei noch hoch akrobatisch war zum Beispiel Benoît Lachambres „Prisms“ von Montréal Danse, witzig Victor Fungs „From the Top“, in dem sich viele angesichts der off-Kommentare eines Choreografen an eigene Proben erinnert fühlen dürften. Das große Thema menschlicher Beziehungen nam unter anderem die MM Contemporary Dance Company in Michele Merolas „Bolero“ auf, die mal wieder Maurice Ravels Klassiker zu Gehör brachte.

Voll gepackt waren diese dreieinhalb Messetage, die Tanzwelt war zu Gast ist Düsseldorf, manche Anregung ließ sich holen, Bekanntes noch einmal hinterfragen. Ob und wie die Messe die folgenden Festivals oder Progaramme von Häusern weltweit prägt, wird sich zeigen.

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