„Don Quixote“ von Aaron S. Watkin. Tanz: Ensemble

„Don Quixote“ von Aaron S. Watkin. Tanz: Ensemble

Er wäre so gern, er hätte so gern...

Das Ballett der Semperoper Dresden legt einen soliden „Don Quixote“ vor

In der Choreografie des Ballettdirektors Aaron S. Watkin erfährt Don Quixote in dieser Version sogar die Erfüllung seines Traumes. Allerdings in der Realität.

Dresden, 06/11/2016

Die lächerliche Figur des Träumers und Idealisten nach Motiven von Cervantes war schon immer eine dankbare Projektionsfläche für Auseinandersetzungen mit den Diskrepanzen zwischen Realität und der Legitimität unerreichbarer Wünsche. In der Choreografie des Ballettdirektors Aaron S. Watkin erfährt Don Quixote in dieser Version sogar die Erfüllung seines Traumes. Allerdings in der Realität.

Der im Vorfeld angekündigte „neuere zeitliche Zusammenhang“ erscheint hier relativ. Eine Schweißerei in den späten 50er Jahren ist zumindest nicht das, was man direkt als heutig bezeichnen würde. Diese proletarische Verortung setzt aber die Figur des Don Quixote (Christian Bauch) noch deutlicher in den interpretatorischen Rahmen des vom Glück nicht direkt Begünstigten, ohne Aussicht auf Erfolg im Leben. Bezeichnenderweise schwebt das Büro des (zu Anfang noch reichen) Besitzers der Schweißerei Señor Lorenzo (Ralf Arndt) weit oben über der Werkshalle. Deren Ausstattung ist monochrom in aschgrau gehalten, auch die Kleidung der Arbeiter nimmt sich in den dunklen Tönen derart zurück, dass der Einbruch der farbenfrohen Kostüme der „Anderwelt“, die sich, wie könnte es anders sein, aus den Traditionen des spanischen Stierkampfes speisen, desto stärker ausfällt. Dort, im prallen Leben, kann sich Don Quixote selbst in den kostbaren Traje de Luces des Toreros kleiden. Zumindest ist er in seinen Geschichten Don Quixote, denn zur Kontrastierung der beiden Welten trägt er eigentlich den Namen Alonso Quixano. Dadurch werden diese beiden Identitäten klar voneinander getrennt. Analoges geschieht mit der Figur Sancho Pansas. Dieser ist hier weiblich, Sancha Panza, und im grauen Alltag Alonzos Lehrling Juanita. Melissa Hamilton ist in dieser Rolle die Drahtige, Fixe. Ihre Bodenständigkeit macht sie besonders nahbar. Nicht nur, dass sie Alonso verehrt, zwischen beiden ist bereits von Anfang an eine bemerkenswerte Nähe und Vertrautheit deutlich, die am Ende für beide entscheidend sein wird.

Christian Bauch als Alonso / Don Quixote hat an diesem Abend nicht wirklich viel zu tun. Zumindest in tänzerischer Hinsicht. Sein Part ist in erster Linie mimisch angelegt. Desto mehr Raum bekommen Lorenzos Tochter, hier Aldonza Lorenzo, und ihr Geliebter Miguel Basilio. Svetlana Gileva und István Simon in diesen beiden führenden Rollen sind ganz klar die Aushängeschilder des Abends. Watkins gibt den beiden ausreichend Raum, die gesamte Qualität des Ensembles an die Spitze zu führen. Exzellente Ergänzung erfahren sie dabei durch Sangeun Lee als Doña Dulcinea del Toboso, die mit ihrem schwebenden Wesen Don Quixote immer mehr den Kopf verdreht.

Nachdem Alonso und Juanita nach ihren Reisen wieder zuhause gelandet sind und nach einigen denkwürdigen Wendungen ein großes Versöhnungsfest gefeiert wird, dürfen in diesem Finale alle zu absoluter Höchstleistung auffahren. Spätestens dann, wenn aus den bisherigen Flamenco-Anleihen plötzlich Walzermelodien werden und die Solisten zeigen, was eine Harke ist, dürfte auch dem letzten Zweifler die Spucke wegbleiben. Dieses Ensemble hat in den letzten Jahren eine enorme qualitative Steigerung erfahren. Und wenn man István Simon so grandios springen sieht, fällt einem wieder ein, dass es seit dem Weggang von Jiří Bubeníček keinen derartigen Publikumsmagneten unter den Tänzern mehr gibt. Gleichzeitig ist aber ganz deutlich, dass Bubeníček trotzdem eben keine Lücke hinterlassen hat.

Indirekt auf die Schulter geklopft wurde dem Ballettensemble tatsächlich am Abend der Dresdner Uraufführung in Freiburg. Dort fand nämlich parallel die Verleihung des diesjährigen Theaterpreises „Faust“ statt. Und den erhielt Alexander Ekman für seine grandiose Arbeit „Cow“, die er an der Semperoper entwickelt hatte. Zu sehen sein wird „Cow“ allerdings erst wieder im April kommenden Jahres. Die Zeit bis dahin kann mit sich mit diesem „Don Quixote“ ziemlich gut vertreiben. Die Dramaturgie (Stefan Ulrich) hat nämlich dafür gesorgt, dass in den zweieinhalb Stunden keine langweilige Minute aufkommt.
 

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