Es gibt keinen Gewinner
the guts company befragen im Dresdner Societaetstheater Formen der Macht
Nach ihren spartenübergreifenden Projekten zu den Themen „Heimat“ und „Fremde“ begeben sich Johanna Roggan und Josefine Wosahlo in der neuesten Produktion von the guts company mit der Choreografin Célestine Hennermann in die Gefilde der Fantasien von Kindern ab drei Jahren. Dass sie dabei alles Kindische vermeiden, gehört zu den wesentlichen Eindrücken dieser heiteren Tanzproduktion für die Kleinsten, bei der sich aber auch die Großen nicht langweilen dürften.
Ein Kindertag in weniger als einer Stunde, eine gelungene Art, die Zeit zu raffen, der damit beginnt, dass sich die beiden erst mal finden müssen. Zwei unter einer Decke: Wer bist Du, wer bin ich, bin ich Du, bist Du ich, was kann ich, was nicht, was kannst Du, was können wir zusammen unternehmen, am besten, wir begeben uns auf eine große Fahrt. Aber bevor wir uns stärken und dann auch in See stechen, müssen wir uns erst mal sortieren, denn sind das hier deine oder sind das meine Beine. Ist das deine Hand oder ist es meine?
Bei diesen Spielen, die immer wieder aus der scheinbaren Freiheit der Improvisation dann doch in die Genauigkeit geführter Bewegungen übergehen, machen sich die Tänzerinnen nicht klein. Aber die Ausstattung von „Sounds of Silence“, das sind Susanne Kessler und Petra Eichler, hält einige Objekte bereit, die ganz schön riesig erscheinen, etwa einen Stuhl, den selbst erwachsene Menschen, wie die Tänzerinnen, regelrecht erklimmen müssen. Aber dass da ein Stuhl auf der Bühne steht, auf dem dann beide Platz haben und uns in heiterer Pantomime mit Gesang daran teilhaben lassen, dass es ihnen schmeckt, das ist nicht gleich zu sehen. Das Möbelstück ist verhüllt, die Protagonistinnen können sich darin verstecken, sie können immer wieder mal eine Hand oder nur ein Bein herauslugen lassen, so entstehen schöne, schräge Fantasiebilder, die nicht zuletzt auch schon mal an Kinderzeichnungen denken lassen.
Und dann aber doch auf die Hohe See, mit einem Papierschiff, da sind Piratenfantasien nicht weit, der Säbel kann aber auch gleich wieder zur Krone für die Prinzessin werden, ohne die es doch nicht geht, und schon ist Sindbad zur Stelle und wer es so deuten will, mag auch einen richtigen Supermann sehen, denn was wäre so eine Abenteuerreise, müsste nicht die Prinzessin auch befreit werden und sich gehörig stärken, mit Salat aus Kiwis, Mango und Banane. Immerhin, ein Schiff aus Papier hält allen Stürmen stand, und wenn es nach der Fahrt über die sieben Weltmeere wieder ankommt im Hafen und dieser Tag mit allen seinen Anfängen für die beiden neugierigen und erfindungsreichen Tänzerinnen zu Ende geht, dann schwimmen unzählige, kleine Schiffe auf der Bühne im kleinen Saal des Dresdner Societatestheaters.
Bestimmt wird diese Choreografie von der Bewegungslust, die ja eigentlich allen Kindern eigen ist und die nicht selten auch dazu führt, Anfänge zu wagen, weiter zu kommen, einen großen Bogen zu schlagen und dann doch wieder anzukommen. Das bestimmt auch den Tanz von Johanna Roggan und Josefine Wosahlo im Dialog mit der Musik von Gregor Praml, der es versteht, etwa ein fröhliches Kinderlied am Morgen vielfach zu variieren, aber die Melodik dabei nicht zu verspielen. Darauf reagieren die Tänzerinnen, so finden sich auch bei ihnen die Themen und darauf die Variationen. Tanz und Spiel gehen ineinander über und da sind sie dann wohl auch ganz schön nahe an der Art, wie man es bei Kindern beobachten kann, die aus der Konzentration des Spiels plötzlich in die Freiheit einer bewegten Geste kommen, um gleich darauf sich ihrer Beschäftigung zu widmen.
„Aller Anfang...“, ja klar kennt man, „ist schwer“, so geht es weiter. Schwer dürfte dieser Anfang vielleicht sein im Hinblick auf die Gewinnung des Zielpublikums, denn bislang ist es nicht üblich, dass die freie Tanzszene sich an so junges Publikum wendet. Höchste Zeit! Aber im Hinblick auf diese gelungene Produktion kann man es mit Goethe halten: „Aller Anfang ist heiter“. Wer wollte Goethe widersprechen.
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