Realitätscheck
Diesjährige Ausgabe des Palucca Tanz Studio in Dresden
Bei Motiven aus E.T.A. Hoffmanns „Sandmann“ würde sich die Arbeit bedienen, hieß es im Vorfeld. Die „Menschmaschine Coppelia“ steht da auch ganz hübsch drapiert gleich zu Anfang mitten im Publikum: Auf einer Art Laufsteg steht Brian Scalini in einem einzelnen Spot, abwesend, den Blick unfokussiert ins Leere gerichtet und dreht sich um die eigene Achse wie die hübsche Figur einer Spieldose. Da sieht erst mal gar nichts nach „Ballett auf 120 bpm“ aus. Ballett gibt’s hier tatsächlich nicht. Die Beats aber kommen.
Den Anfang aber, aus dem Off, machen ein paar mehr oder minder rätselhafte Lyrics von „Die wilde Jagd“, dem Musikprojekt des Produzenten Sebastian Lee Philipp. „Warst Du der Donner, der mich weckte?“ Die halb geflüsterte Antwort „Ich war’s ...“ entpuppt sich am Ende als tatsächlich bedeutsam. Den Prozess der Menschwerdung nämlich vollzieht Scalini hier nicht von sich aus. Diese Maschine wird noch gesteuert. Deren Entwicklung ist eine ambivalente.
Kalte, leere Räume
Mechanisch und kantig fallen Scalinis erste Bewegungen aus, repetitiv und seelenlos, bis er einen weiteren Ort, einen anderen Raum entdeckt: Auf der Bühne performt Seraphine Detscher gelassen selbstvergessen im Hintergrund, getrieben von den Beats eines Clubs. Unter Einsatz von ordentlich Bühnennebel hat Josia Werth hier für die beiden Performer kalte, leere Räume geschaffen, die gerade durch ihre Schlichtheit intensiv wirken. In einem dieser leeren Räume begegnen sich die beiden Charaktere, ohne dass es zu einer Art Annäherung käme. Scalini ist sein eigener Körper fremd, er entdeckt ihn quasi unter dem Dröhnen der Beats, während Detscher entspannt einen Apfel isst. Ja, es ist der Apfel. Die damit anzitierte Eva und ihre Rolle der Verführerin wird auch eingelöst. Dabei findet sich die Verführung bereits in der Musik selbst, im Rhythmus, der dazu verleitet, sich einfach hinzugeben, statt ein künstlerisches Bewegungskonzept drüber zu packen. Die Choreografie Wiete Sommers wechselt deshalb auch immer wieder ihre Sprache.
Wenn beide Charaktere am Ende harmonisch, und geradezu menschlich ganz synchron miteinander und beieinander sind, scheint alles gut. Nur durchläuft Scalini bis dahin einen deutlichen Bruch, eine Zäsur, von der man nicht sicher sein kann, ob es eine gute ist, scheint er doch immer wieder Zweifel an den Tag zu legen. Die scheinen allerdings ausgeräumt, wenn er schließlich selbst in einen Apfel beißt.
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