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Neumeiers „Le Pavillon d’Armide“ und „Le Sacre“ am Wiener Staatsballett
Und jedes Mal beweist John Neumeier auf's Neue, dass er ein großer Verwandlungskünstler ist. Seit 1977 führt er das Wiener Staatsballett immer wieder in neue Sphären, immer wieder in den Ballets Russes-Kosmos, den sich der Doyen, der diese Woche Geburtstag hat, über akribische Spurensuche anverwandelte. Mit seinem Team, dem dieses Mal der herausragende Solotänzer und Nijinsky-Interpret Alexandre Riabko sowie Janusz Mazon angehörten, gelingt die Festigung des Glaubens an eine wertvolle Tanz-Tradition, die stets im Fluss ist, anhaltend Änderungen und Ansichten unterworfen ist und nur mit Wissen, Verstand und Respekt weitergeführt werden kann.
Es ist zwar nicht sein herausragendes abendfüllendes Werk „Nijinsky“, das Neumeier den Wienern überlässt, das aber in Wien unbedingt gezeigt werden sollte; mit „Le Pavillon d’Armide“ (Tscherepnin) von 2009 und dem „Sacre“ (Strawinski) von 1972 überlässt er aber dem Direktor Manuel Legris und dem ehemals für den Choreografen tätigen Dirigenten Michael Boder zwei Werke, die den Namen Nijinsky auf unterschiedliche Weise in sich tragen.
Verwandelt hat er das Ensemble, dessen Gesichter neu zu entdecken sind, dessen Haltung eine der Herausforderung adäquate ist. Die Tänzer und Tänzerinnen sind wunderbar typgenau besetzt und sprühen durch die persönliche, fast spirituell angefachte „Freiheit“ in der vorgegebenen Form - beseelte Plastizität. In „Le Pavillon d’Armide“ kennt Neumeier keine Scheu, seinen spezifischen, stets beredten, modernen Ausdrucks-Kanon mit der Erinnerung an Nijinsky zu konterkarieren: Einerseits durch scheinbar wie hingehauchte Zitate aus „Le Spectre de la Rose“ und „Petruschka“ andererseits konkret durch historisch in Kostüm und Form inszenierte Auftritte, etwa der Danse siamoise mit einem stupenden Davide Dato oder dem über Alexandra „Choura“ Danilova übermittelten, „originalen“ „Armide“-Pas de trois mit Maria Yakovleva und Nina Tonoli – beide mit neuen Ballerinen-Qualitäten - und Denys Cherevychko. Ein Heute und ein Gestern, dessen Verbindung Mihail Sosnovschi als „Mann/Nijinsky“ mit der überzeugenden Nina Poláková als Romola Nijinsky verkörpert. Den Mann im Sanatorium, der einst dem Tanz neue Sphären auftat, gestaltet Sosnovschi berührend und intensiv. Dass er dabei auch so gewinnend tanzt wie selten, hat wohl mit der Neumeierschen Proben-Intensität zu tun.
Ein Strawinski-Motiv leitet zu Neumeiers mehr als 40 Jahre altem „Sacre“ über, den er damals für sein Frankfurter Ensemble schuf. Ein durchaus auch heute noch interessanter Entwurf, der sich zeitbezogen zwischen Maurice Béjarts „Sacre“-Knaller aber auch so manche Annäherung in den USA einreihen lässt, ehe Pina Bausch im selben Jahrzehnt mit nackter Ekstase antwortete. Nackt war damals auch Neumeiers Haupttänzerin Beatrice Cordua, deren Furor unvergessen ist. Am aktuellen Wiener Abend bezieht „Sacre“ seine Spannung aus der Gegensätzlichkeit zum inhaltsreichen „Pavillon“. Körperkonstruktionen und Gruppenformationen rollen sich da auf, menschliche Figuren, deren Lebendigkeit von Erschütterungen gezeichnet, soziale Wirkmächtigkeit verloren hat. Im „Danse sacrale“ explodiert Rebecca Horner wie ein letzter Widerstand in einer erlöschenden Welt.
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