„SEA (Singular Extreme Actions)“ von Elizabeth Streb

Lustvolles Fliegen

Die Choreografin Elizabeth Streb mit ihren "Action Heroes" beim Internationalen Sommerfestival in der Hamburger Kampnagelfabrik

Ein in jeder Hinsicht gelungenes Debüt der Kompanie aus New York, die sicher nicht zum letzten Mal hier war.

Hamburg, 16/08/2018

Vordergründig hat es wenig mit Tanz zu tun, dieses Spektakel, das Elizabeth Streb mit ihrer 1985 gegründeten Kompanie „STREB EXTREME ACTION“ aus vier Männern und vier Frauen, den „Action Heroes“, in der K6 auf Kampnagel zeigt. Und doch ist es bei aller zirzensischen Artistik und Kraftmeierei ungemein tänzerisch – in seiner Komposition, seiner Abfolge, seiner Poesie, die immer wieder durchschimmert, ganz egal, wie brachial die Acts im Einzelnen zu sein scheinen. Es ist diese Mischung aus perfekter Körperbeherrschung, Spaß an der Bewegung, am Besonderen, Außergewöhnlichen und eben diese leise, ständig mitschwingende Zerbrechlichkeit, die „SEA“ (Abkürzung für Singular Extreme Actions) so spektakulär und berührend zugleich macht. Und es ist auch die uneitle, heitere Präsentation, die bewusst Nähe sucht zum Publikum, als wäre man einander gerade zufällig begegnet.

Zu Beginn stachelt ein Conférencier, besser: ein Einpeitscher, das Publikum zu allem an, was normalerweise im Theater tabu ist: Lautstark Begeisterung äußern mit Schreien und Klatschen, je mehr, desto besser, Fotos und Videos aufnehmen, gerne während der gesamten Vorstellung, Hauptsache, sie werden anschließend in den sozialen Netzwerken geteilt. Hashtag und Facebook-Adresse stehen ebenso wie der Titel des Abends „SEA“ in verschlungenen Buchstaben auf einer großen Schiefertafel am Rand der Bühne.

Und dann legen sie los, die acht Action Heroes. Von einem großen Trampolin stürzen sie sich in immer waghalsigeren Sprüngen, Salti und Schrauben auf große Matten – und sie landen dort nicht etwa angehockt oder rund abgerollt, sondern voll ausgestreckt, mit der ganzen Körperfläche: BUMM! Der Mann am Laptop mischt jedes Mal den entsprechenden Sound dazu – BOING! Es ist ein zehn Minuten anhaltender wilder Wirbel von Körpern, begleitet von Disco-Beats.

Act 2 dann ein Potpourri für zwei Männer und zwei Frauen auf einer schiefen Ebene, gehockt, geworfen, alleine, zu zweit, zu dritt, zu viert, in allen nur denkbaren Konstellationen und Körperhaltungen.

Danach wird es eng: Sieben der Action Heros legen sich der Länge nach in ein schmales, aquariumähnliches Glasgefäß. Und als wär’s damit noch nicht genug, quetscht sich dann auch noch Action Hero Nummer 8 (Jackie Carlson) von unten durch eine schmale Öffnung bis ganz nach oben durch. Da tun einem schon vom Zuschauen alle Knochen weh …

Act 4 ist Nervenkitzel pur: Ein an einer Kette herabhängender Vierkant-Stahlträger wird in Rotation versetzt, und die Action Heros quetschen sich darunter durch, daran vorbei, und natürlich immer haarscharf, bevor ihnen die scharfen Kanten irgendein Körperteil absäbeln. Anschließend versuchen zwei mit einem Seil aneinander gekettete Performer, sich gegenseitig möglichst unsanft zu Boden zu bringen. Und die große Schiefertafel wird zur Kletterwand für allerlei Kunststückchen, wobei abgewinkelte Unterschenkel durchaus auch als Liegeplatz dienen können.

 

Die letzten beiden Acts sind dann eindeutig der Höhepunkt des Abends: Ein halbkreisförmiges Stahlrohr-Gebilde wird von einem der Action Heroes durch Hin- und Hergehen in Schwingung versetzt, und die anderen machen sich einen Spaß daraus, auf dem Brett darüber allerlei waghalsigen Schabernack zu treiben, bevor sie an einer senkrecht stehenden großen Leiter, die durch die Mitte um 360 Grad drehbar ist, endgültig der Schwerkraft zu trotzen scheinen. Selten sieht man Menschen so lustvoll durch die Luft segeln. Und natürlich darf er auch hier nicht fehlen: der satte Bauch- oder Rückenklatscher auf die große Matte.

Und auch, wenn alle Künstler zum Schluss freudestrahlend über den Erfolg den Jubel des Publikums entgegennehmen, so ist einmal Verbeugen genug – sie sind mehr an einem „Meet & Greet“ mit den Zuschauern interessiert, an der Begegnung, der Neugier auf den anderen. Sie setzen sich einfach mit Handtuch und Wasserflasche auf die Matte und fordern die Leute auf, sich zu ihnen zu gesellen. Und so endet dieser Abend genauso unprätentiös und ungezwungen, wie er begonnen hat. Ein in jeder Hinsicht gelungenes Debüt der Kompanie aus New York, die sicher nicht zum letzten Mal hier war.

 

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