„Das Bildnis des Dorian Gray“ von Tomasz Kajdański, Tanz: Daisuke Sogawa und Vincent Tapia

Du sollst dir kein Bildnis machen

„Das Bildnis des Dorian Gray“ von Tomasz Kajdański in Dessau

Wie in einem Film, der nicht nur durch seine tollen Darsteller besticht, lässt Tomasz Kajdański seine Szenenfolge dieses berühmten Stoffes ablaufen.

Dessau, 28/03/2018

„Das Bildnis des Dorian Gray“, der einzige Roman von Oscar Wilde, erschien 1890 in einem Magazin, ein Jahr darauf als Buch in London. Seinerzeit galt das Buch als anstößig, als anrüchig, zu frei ging Oscar Wilde für die damalige Gesellschaft mit den Fragen der Moral um, zu freizügig schilderte er das Leben jenes Dorian Gray, dem Frauen und Männer in gleicher Weise verfallen, der selbst einem Bild von sich verfällt, und darum einen teuflischen Pakt eingeht. Gray verkauft seine Seele: Er wird nicht altern, dafür das Porträt des Malers Basil, das ihn zunächst als schönen jungen Mann zeigt. Oscar Wildes Roman wurde ein Erfolg, wurde Vorlage für Filme, Theaterstücke, Opern, Musicals und Ballette. Jetzt gab es eine Balletturaufführung nach Wildes Roman am Anhaltischen Theater in Dessau, choreografiert von Tomasz Kajdański zu Musik von Alexander Skrjabin.

Die vom Choreografen ausgewählten Szenen folgen den Hauptlinien der Handlung. Wichtig ist dabei die Bühne von Jens Hübner, in deren zunächst unendlich wirkenden Dimensionen Dorian Gray einsam erscheint, bevor er dann von drei herabfahrenden Wänden umschlossen wird, auf denen mit Videoprojektionen (Lieve Vanderschaeve) die rasch wechselnden Orte und Stationen erscheinen: nächtliche Straßen in schwarz-weißer Stummfilmästhetik, dann wieder üppig ausgestattete Räume der verschiedenen Gesellschaften, in denen sich Dorian Gray bewegt, unterstützt durch die Kostüme von Steffen Gerber. Das berühmte Porträt ist hier eine Fotografie, das das zerknitterte Gesicht beim Alterungsprozess besonders abstoßend macht.

Tomasz Kajdański lässt seine Szenenfolge wie einen Film ablaufen, der ganz unbeschwert beginnt, wenn dieser junge Dorian Gray von allen, Frauen wie Männern umschwärmt wird. Besonders erliegt er der Zuneigung des jungen Basil, hier nicht unbedingt ein Maler, eher ein junger Wilder, der aufreizend getanzt wird von Daisuke Sogawa. Eine satanische Verführergestalt wie ein sich wild gebärdender Priester ist der Tänzer Julio Miranda als Lord Henry ,und bald schon tanzt Vincent Tapia in der Rolle des Dorian Gray als seelenlose Schönheit seine Pirouetten, vollführt elegante Sprünge, stößt Menschen ab und in den Tod, wie die Schauspielerin Sibyl oder verführt schon mal Mutter und Tochter nacheinander. Und wenn er die ersten Veränderungen auf dem Bild beziehungsweise Foto sieht, dann entdeckt er darin nicht das warnende Zeichen, sondern tanzt sie regelrecht weg. Und wenn er das Abbild am Ende zerstört, ist es zu spät. Er selbst hat sich und andere Menschen vernichtet als Regisseur seines Films, in dem er alleine eine Hauptrolle spielt, alle andere nur Nebenrollen.

Spitze ist es, wie hier von den Mitgliedern dieser kleinen Kompanie getanzt wird. Tolle Sprungvarianten für die Männer, elegante Figuren für die Frauen in den Salons, überzeugende Klischees im Bordell. Unbedingt zu nennen ist der so kraftvoll wie ausdrucksstark agierende Tänzer Fergus Andrew Adderley als James Vane, der seine von Dorian Gray verführte Schwester Sibyl rächen will. Und wie diese zunächst die Bühne mit dem Leben verwechselt und dann in Wahn verfällt, tanzt Maria-Sara Richter sehr eindrucksvoll.

Andres Reukauf hat für diese Balletturaufführung Klavierwerke des russischen Komponisten Alexander Skrajabin für Orchester arrangiert. Die Arrangements sind von leicht melancholischer Stimmung geprägt, aber auch vom fließenden Gefühl der Unaufhaltsamkeit, kurze Einsätze des Klaviers bringen lichte Momente, dann wieder sanftes Dahinfließen des schönen Klanges im Gegensatz zum tragischen Irrtum dieses Dorian Gray, der einem Bild von sich unterliegt und diesem Irrtum am Ende selbst zum Opfer fällt. Unter der musikalischen Leitung von Elisa Gogou musizieren die Mitglieder der Anhaltischen Philharmonie Dessau klangschön und sensibel.

Nach gut 120 Minuten gibt es herzliche und begeisterte Zustimmung des Premierenpublikums für das ganze Ensemble, insbesondere für die Tänzerinnen und Tänzer.

 

Kommentare

Noch keine Beiträge

Ähnliche Artikel

basierend auf den Schlüsselwörtern