„Marry Me In Bassiani“ von (La)Horde

„Marry Me In Bassiani“ von (La)Horde

Spektakulär und politisch

(La)Horde mit „Marry Me In Bassiani“ in der Kampnagelfabrik

Mit einer Welturaufführung startete das Internationale Sommerfestival in Hamburg – ein mitreißender Auftakt mit dem georgischen IVERONI Ensemble

Hamburg, 10/08/2019

Es ist schon Tradition, dass Andras Siebold, der Künstlerische Leiter des alljährlichen Sommerfestivals in der Hamburger Kampnagelfabrik, seinen Ehrgeiz darein setzt, zum Auftakt eine besonders spektakuläre Tanzproduktion zu zeigen. Das ist ihm dieses Jahr einmal mehr gelungen – denn „Marry Me In Bassiani“ des KünstlerInnen-Trios Marine Brutti, Jonathan Debrouwer und Arthur Harel ist nicht nur ein bewegendes Beispiel, wie sich mit Tanz politisch Widerstand leisten lässt, sondern auch eine gelungene Mélange aus traditionellem georgischem Volkstanz und modernem Tanztheater.

Es beginnt auf offener Bühne – noch während das Publikum seine Plätze aufsucht, sitzt eine zwölfköpfige Hochzeitsgesellschaft auf wackeligen Stühlen vor den monumentalen Säulen eines postsowjetischen Gemäuers, vor dem ein Reiterstandbild irgendeinen Feldherrn verherrlicht (Bühnenbild: Julien Peissel, assistiert von Léa Chardin und Elena Lebrun), während der Bräutigam hinter einem rosengeschmückten Altar mit gesenktem Kopf seiner offenbar arrangierten Eheschließung entgegentrauert. Der Brautvater läuft ungeduldig auf und ab. Alle warten auf sie, die Hauptperson, die Braut. Diese turnt, in ein silbrig-glitzerndes Gewand gehüllt, auf einem Gesims herum und versucht, sich der Vermählung zu entziehen, was aber natürlich nicht unentdeckt bleibt, und so kommt es, wie es kommen muss – die Hochzeit beginnt.

Anfangs entfaltet das Ensemble IVERONI, eine 15-köpfige, phantastisch auftanzende georgisches Kompanie, zu mitreißender Musik (Komposition: Sentimental Rave, Traditionelle Musik: Bar Zalel, remixed von Zed Barski) mit großer Eleganz und Virtuosität sein Können. Und wie diese TänzerInnen das tun, das ist schon atemberaubend – bis hin zu aggressiven, effektvollen Schwerttänzen der Männer, bei denen die gekreuzten Klingen die Funken stieben lassen.

Mehr und mehr schleichen sich dann aber Brüche ein in diese rasante Abfolge von Männer- und Frauenensembles. Die Hochzeitsgesellschaft verabschiedet sich ganz langsam, jeder einzeln für sich, von der Braut und verschwindet unter ihrem weiten Rock ins Dunkel. Als alle weg sind, klettert die Braut auf ein Podest und rollt zu dem Reiterstandbild, wo sie dem Feldherrn mit einem Schwert den Kopf abschlägt und triumphierend von den Brautjungfern zurückgerollt wird auf die andere Seite. Voller Wut stößt der Brautvater den Altar um – und die gesamte Hochzeitsgesellschaft geht zu Boden; nur der Bräutigam bleibt übrig. Während alle nach und nach wieder aufstehen – die Braut bleibt verschwunden –, schiebt einer der Männer das kopflose Reiterstandbild über die Bühne. Schließlich heben alle zusammen das Monument an und befördern es zwischen den Säulen des Palastes ins Dunkel. Und dann mündet alles in ein grandioses Finale, in dem die TänzerInnen in aberwitzigem Tempo von rechts nach links über die Bühne kreiseln, immer und immer wieder. Auf einmal schiebt sich der Palast vom Bühnenhintergrund immer weiter nach vorne, immer bedrohlicher weiter vor, bis unmittelbar vor die erste Reihe der Publikumstribüne, die Hochzeitsgesellschaft dabei vor sich hertreibend. Und als alle schon denken, das sei das Ende, stimmt einer der Männer ein georgisches Lied an, in das die gesamte Hochzeitsgesellschaft einfällt – und den Palast mit vereinten Kräften wieder an seinen Platz zurückschiebt.

Es steckt ungeheuer viel Symbolik in diesen Tänzen, in der ganzen Geschichte, die da erzählt wird. Lauter Anspielungen auf das, was sich in Georgien zugetragen hat, im Mai 2018, als Jugendliche gegen die brutalen Razzien in den angesagten Clubs der Stadt protestierten, darunter eben auch der legendäre Bassiani Club, wie es im Programmzettel heißt. Tanzend protestierten sie vor dem Parlament in Tiflis. Und so ist „Marry Me In Bassiani“ auch eine durch und durch bewegende und kraftvolle Reminiszenz an die Kraft und Kreativität dieses Widerstands. Das Publikum war zu Recht hellauf begeistert.
 

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