„Du kannst die Kreativität nicht stoppen“
Eine Würdigung zum 75. Geburtstag der Choreografin Krisztina Horváth von Renate Killmann
Keiner konnte eine Rolle so „verkörpern“ wie Michael Molnár. Egal, welche Rolle man sich ins Gedächtnis ruft, den Stummfilm-Star Buster Keaton beispielsweise, den er 1983 in den „Silent Clowns“ von Krisztina Horváth am Freiburger Tanztheater vorstellte, oder seine Rolle in „Présence - heute“ von Gerhard Bohner ein Jahr danach am selben Ort: sogleich hat man seine physische Vergegenwärtigung wieder vor Augen, seine kraftvollen Körperaktionen, sein konzentriertes Mienenspiel, ja, auch seine Prinz-Eisenherz-Frisur, die ihn schon optisch von anderen Tänzern unterschied.
Aber das Außergewöhnliche seines Erscheinungsbildes war nicht in Äußerlichkeiten begründet. Darauf angesprochen, erklärte er sich seine Präsenz im „Jahrbuch Ballett 1986“ folgendermaßen: „Bereits als Kind habe ich erfahren: Mit deinem Rücken musst du erzählen können, was du denkst! Das aber gelingt dir nur, wenn die innere Einstellung zur Rolle stimmt, wenn sie nach außen strahlt.“
Die innere Einstellung hat bei ihm immer gestimmt, auch die technischen Voraussetzungen. 1946 in Budapest geboren, beginnt er mit sieben zu tanzen. Er studiert am Staatlichen Ballettinstitut seiner Heimatstadt, macht mit 18 sein Abitur und vervollkommnet im letzten Ausbildungsjahr seine Repertoirekenntnisse, weil ihn die Lehrer, wie er damals erzählte, partout nicht haben laufen lassen: ein Umstand, der seiner späteren Arbeit zugute kommt. Prägend sind die sieben Folgejahre am Ballet Sopianae in Pécs unter der Obhut von Imre Eck, der seinerzeit als Avantgardist auf sich aufmerksam macht. „Ecks Tanztheater“, so Molnár im „Jahrbuch“, „hatte damals viel mit Schauspiel zu tun. Selbst wenn technische Dinge erwünscht waren, stand doch immer eine Aussage im Vordergrund“.
1971 wechselt er zusammen mit seiner Frau, der Tänzerin und späteren Choreografin Krisztina Horváth, aus künstlerischen Gründen in die Bundesrepublik. Nach kurzzeitigen Engagements in Augsburg und Düsseldorf stößt er 1974 zunächst noch als Gast, dann als festes Ensemblemitglied zum Kölner Tanz-Forum: ein Kollektiv, das zu jener Zeit von Helmut Baumann, Jürg Burth, Jochen Ulrich und Gray Veredon geleitet wird, sich der Graham- wie auch der Limón-Technik verpflichtet weiß und zeitgenössischen Tanzströmungen Tür und Tor öffnet. Michael Molnár ist in seinem Element und bringt in Stücken wie „There is a Time“ (José Limón), „Der grüne Tisch“ (Kurt Jooss) und „Der blaue Mantel“ (Jürg Burth/Jochen Ulrich) die Rollen auf den Punkt – ganz nach seinen Vorstellungen: hundertprozentig, sehr körperhaft, mit viel Rückendeckung und ohne alle Eitelkeit. „Wenn Eitelkeit mitspielt“, so Molnár im Interview, „ist alles gestorben.“
1981 gründet Kristina Horváth an den Städtischen Bühnen Osnabrück ein Tanztheater – Michael Molnár ist dabei. Und er steht ihr als führender Solist und Ballettmeister zur Seite, als sie von 1983 bis 1990 erst das Tanztheater in Freiburg und anschließend bis 1994 das des Staatstheaters Kassel leitet: ein „großer Künstler“, getreu seiner Maxime: „Es gibt keine kleinen Rollen, nur kleine Künstler. Selbst aus den unscheinbarsten Sachen kann man etwas machen. Es kommt nur auf die Haltung an.“
Haltung hat er vor allem in vielen Choreografien seiner Frau bewiesen. So auch in seinen letzten Lebensjahren in Eutin, wo Krisztina Horváth 1996 ein Tanzstudio und das TanzTheaterEutin gegründet hat. Bei der „Stillen Nacht in Stalingrad“, die für den 4. September beim Eutiner Konzertsommer geplant ist, wird er nicht mehr dabei sein können. In der Nacht vom 17. auf den 18. Juni ist er einem Krebsleiden erlegen.
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