Kunst der Verzauberung
Die Jubiläumsausgabe von Think Big!, dem Festival für junges Publikum in München, lädt zum Träumen ein und hält den Spiegel vor
„Underdogs“ der Par Terre Dance Company eröffnet das diesjährige Festival Think Big!
Es wird viel getanzt diesen Sommer – und das nicht nur beim 10. Grenzgänger-Festival des TamS Theaters, das seinen Schwerpunkt auf inklusiven Theaterformaten ja bereits im Titel mittransportiert. Beim Tanzfestival Think Big! für junges Publikum will man groß denken – in einem sich ganz und gar nicht vordergründig aufdrängenden pädagogisch-erzieherischen Sinn. Die zackige Eröffnung „Underdogs“ der französischen par Terre Dance Company ließ dies bereits deutlich erkennen.
Sonja Bel Hadj Brahim ist ein zierliches Persönchen. Mit ihrem Körper drückt sie sich aber in einer urban-kämpferischen, gestisch resoluten und ziemlich abgehackten Sprache aus. Souverän tritt sie gegen ihre zwei nicht minder bewegungswilden Hip-Hop-Bühnenpartner Arnaud Duprat und Pascal Luce an, indem sie eng vor ihnen heftige Armbewegungen in schlagfertige Argumente verwandelt. Da können sich die Plus-14-Jährigen im Saal, die bei der Premiere noch in der Minderzahl sind, getrost einiges abschauen. Zum Beispiel, wie wichtig es ist, seine eigene Meinung zu vertreten.
Akustisch füllen Rap-Songs und Soul Music den Raum. Deren gesellschaftspolitisch aufgewühlte Inhalte bzw. mehr noch die teils aggressiven Beats scheinen den drei hippen, perfekt aufeinander eingeschworenen Tänzern direkt in die Glieder zu fahren. Am liebsten würde man die französischen und amerikanischen Liedzeilen Wort für Wort verstehen statt nur bruchstückhaft. Dennoch beeindruckt Anne Nguyens Choreografie – Erwachsene eingeschlossen. So aufgeladen mit starken Momenten ist sie, dass über deren Bedeutung im Anschluss generationenübergreifend eifrig beratschlagt wird.
Sobald Hände mit unsichtbaren Gewehren hantieren und sich zwischenmenschlich kleine Geschichten zwischen den Protagonisten entwickeln, bleibt man nah dran an den rebellischen Außenseitern. Neben Ruppigkeit und Drohgebärden tauchen innerhalb der Konflikte zunehmend individuell sympathische Züge auf. Erfahrungen, die auf derart physisch-ästhetische Weise weitergegeben werden, entfalten ihre Wirkung vor allem im Unterbewusstsein. Simone Schulte-Aladağ (Fokus Tanz, Tanz und Schule e.V.) und Schauburg-Intendantin Andrea Gronemeyer, die beiden Kuratorinnen von Think Big!, operieren genau damit.
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