„Dance me!“ von She She Pop

Das Generationen-Battle

Eröffnung des Festivals Tanztheater International mit She She Pops „Dance me!”

Das Performance-Kollektiv lässt bei der letzten Ausgabe des Hannoverschen Festivals die Generationen in einer Spielshow aufeinandertreffen.

Hannover, 03/09/2022

Kampf der Generationen. Die Jungen laufen in blauen Mänteln ein, ohne sehen sie vor allem dünn aus, sagt die besonders Herzhafte von den Alten, die in roten Mänteln auftreten. „Dann tanzt mal was aus der Zeit, als ihr noch Spaß hattet“, erwidert der junge Mann mit dem tätowierten Bauch. Bei diesem Generationen-Battle wird sich nichts geschenkt. Schließlich läuft die Uhr, im Spiel wie in der Wirklichkeit.

Das Performance-Ensemble She She Pop hat sich die jungen Tänzer*innen dazu eingeladen. Mit ihrem Stück „Dance me!“ eröffnete sie jetzt in der Orangerie Herrenhausen das 37. und letzte Festival Tanztheater International in Hannover. Sie starten mit großem Hallo wie bei einem Boxkampf, Show ist alles, die Anzeiger blinken, mal machen die Jungen live Musik, die Alten tanzen, dann umgekehrt. Die Reihenfolge wird mit einem Spiel geklärt: „Ihr seid die, die noch nie mit einer Patientenverfügung zu tun hatten“ – die Getroffenen rücken eins vor bis zum Umfallen, welche Gruppe noch die meisten stehen hat, darf die eigentliche Battle beginnen, muss dann eine Zeit lang zum Lied der anderen Gruppe tanze.

In diesen Spielen werden die Generationen oft auch aus dem Nebensächlichen charakterisiert: „Glaubt ihr an Sternzeichen“ gegen „Musstet ihr schon mal ein Glaubensbekenntnis auswendig lernen“. Aber die Wortwechsel der Battle könnten schärfer, ausgearbeiteter sein. Da stehen die Jungen, die keinen Winter mit Schnee kennen und keine Kinder mehr kriegen werden, gegen die Zufriedenheit der Älteren, die sich rühmen „aufgestanden zu sein“, gegen Ozonloch, Aufrüstung und Atomkraft demonstriert zu haben, bis FCKW verboten wurde, der Eiserne Vorhang fiel und der Atomausstieg kam. Wie toll, brauchen die Jungen da angesichts Erderwärmung, Ukraine-Krieg und Atomkraftwerkverlängerung nur zu stöhnen. Dabei müssten sie nur verstehen, dass das Engagement nie enden darf. Sich nur verändern muss.

Merkwürdigerweise ist Fridays für Future bei den jungen Tanzenden kein Stichwort, dafür zeigen sie im Outfit und in ihren Moves die genderfluide Seite ihrer Generation, selbst wenn die Alten „Der Mond ist aufgegangen“ anstimmen und unplugged musizieren. Das ökologische und sozialfürsorgliche Potenzial des Liedes, wird es erkannt? Hier treffen sich auch die, die nie richtig zuhören, mit denen, die ihnen immer was erzählen wollen. Die Älteren überzeugen vor allem durch Ausdauer. Auch tänzerisch wäre Zuspitzung der teils langen Aufgaben dienlich. Irgendwann wird ein Joker versprochen, aber der Überraschungseffekt ist bloß Bodennebel. Womöglich macht man sich nebenbei auch noch über entsprechende Quiz-Formate lustig. Und tanzt auf dem Klischee, dass sich junge Menschen weniger gut ausdrücken. „Kannst du überhaupt lesen?“ trifft auf „Funktioniert dein Beckenboden noch?“ Das sitzt.

Stark wird es, wenn die Jungen sich dem Generationenbegriff verweigern, sich als die Diversität per se darstellen. Und die Alten, die sich zunehmend auf Beerdigungen treffen, nun zu ihnen treten, sich sanft an sie anlehnen, aber auch Halt für einige der jungen Körper werden. Doch bevor das in intergenerationelle Rührung kippt, kommt die harte Wahrheit: Diese Battle können die Alten nicht gewinnen, sie sterben zuerst. Aber der Erfolg der Jungen ist auch flüchtig: Sie werden folgen. Einen schönen Gedanken stiftet der junge Mann mit dem Tattoo: sterben mit dem Gefühl der ersten Liebe, das wäre sein Traum. Wer würde diesen Wunsch nicht teilen, egal wie alt er ist.

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