Tanzender Schleim

Wummernde Beats und 300 Kilo Schleim

Doris Uhlich präsentiert mit „Gootopia – The Treatment“ eine interaktive Ode an den Schleim in Leipzig.

Leipzig, 06/05/2022

Schleim! Schleim! Schleim! Schleim überall. Doris Uhlichs „Gootopia – The Treatment“ arbeitet ausschließlich mit diesem Material. Die sechs Performer*innen Pêdra Costa, Ann Muller, Andrius Mulokas, Emmanuel Obeya, Camilla Schielin und Grete Smitaite klatschen Schleimwesen auf den Boden oder ihre nackten Körper. Sie quetschen werfen, treten, blasen und essen die amorphen gallatartigen Brocken. Sie rutschen auf und mit ihren Körpern auf großen Schleimbahnen und sind ganz bedeckt von der halb flüssig, halb festen Masse. Die Körper funkeln glänzend im blau weißen Bühnenlicht des Parcours, der in der Residenz der Spinnerei des Schauspiel Leipzig aufgebaut ist und hier 300 Kilo Schleim zu Performance-Kunst verarbeitet.

Der Abend ist eine Fortsetzung von „Gootopia“ aus dem Tanzquartier Wien aus dem Jahr 2021. Im Zentrum des Raumes steht eine Schleimskulptur bei der der Schleim durch mehrere Gitter gegossen wird und so in kleinen Fäden Richtung Boden tropft (Bühne: Juliette Collas, Philomena Theuretzbacher). Es gibt zwei große Holzpodeste, die Bühnenräume sind durch Gummistränge abgegrenzt. Doch dieser Abend ist nicht nur von hohem schleimigen Schauwert, sondern die Gäste kommen auch in direkten Kontakt mit den schleimigen Elementen. Gleich zu Beginn gibt es eine Handsalbung mit Schleim, jeweils einer der Performer*innen führt sechsköpfige Besuchergruppen durch die Installation zu verschiedenen Stationen, um die vielfältigen Eigenschaften von Schleim vorzustellen. Einmal bauen alle aus einem großen Schleimbrocken eine Landschaft mit großen Blasen und ganz dünner Schleimschicht, ein anderes Mal experimentieren sie unter Wasser wie der Schleim, der die Hände überzieht, zu einer plastikartigen Umhüllung wird, und zum Abschluss der etwa halbstündigen Einführung gibt es Schleimeier zu essen, die mit einer Creme gefüllt sind.

Wer auch danach noch Lust zu weiteren Schleimexperimenten hat, der kann sich in einen mit Gaze verhangenen Bereich beim DJ-Pult von Boris Kopeinig begeben und alleine oder mit anderen einen ganz persönlichen Schleimausflug starten. Zur Leipziger Premiere wurde das rege angenommen, zwei Gäste wurden sogar in die Performance integriert, die nach keinem allzu festen Schema verläuft. DJ Kopeing liefert dazu einen elektronischen Soundtrack mit wummernden Beats und verleiht dem Ganzen eine akzentuierte Clubatmosphäre. Das entwertet zwar die Hörstation, wo man in Sandsäcken intellektuellen Exkursen zum Schleim lauschen kann, nutzt aber sehr gut dem daneben stehenden Podest, auf dem man liegend dem Rhythmus seiner eigenen Säfte zuhören kann.

Doch der Abend besteht nicht nur aus energetischer Ektase. Immer wieder kommen die Performer*innen zu großen-Mensch-Schleim-Haufen zueinander und rutschen und wälzen sich orgiastisch mit ihren schleimigen Körpern auf- und übereinander, verschlängeln sich, um dann in einer ebenso amorphen Körperskulptur zu verharren – manchmal unter den von oben tropfenden Schleimfäden. Die Energie der Tanzenden, die über die dreieinhalb Stunden der Performance, in der die einzelnen Schleimbehandlungsansätze immer wieder neu kombiniert werden, ist enorm und liefert faszinierende Bilder, sowohl in den großen gewaltigen Gesten als auch in kleinen fast schon intim anmutenden Etüden, wenn etwa drei der Gallerteier über den Körper geführt werden oder der über den Mund fließende Schleim durch einen fast unhörbaren Schrei durchbrochen wird. Ein Kraftakt, der sich lohnt.

 

 

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