Tanz in seiner Fülle
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Deutschlandpremiere in Mainz: Jonas & Lander gewinnen den Fado für den Tanz zurück
Gesucht und gefunden: die Choreografen Jonas und Lander, der portugiesische Weltschmerz und der Stepptanz Bate Fado, der Mainzer Tanzchef Honne Dohrmann und ein Höhepunkt des zehntägigen „tanzmainz“-Festivals. Aber der Reihe nach: Wer an den Fado denkt, hat hierzulande unweigerlich die Saudade im Sinn, den umfassenden Weltschmerz, an dem die sanfteren Bewohner der iberischen Halbinsel angeblich leiden – und den sie in den einschlägigen Kneipen Lissabons so schön in melancholische Klänge fassen können. Anders als beim spanischen Flamenco, der brasilianischen Salsa oder dem Tango Argentino ist mit dieser populären Musik aber kein besonderer Tanz assoziiert; Fado geht ins Ohr, nicht in die Beine.
Das war nicht immer so, fand das Künstlerduo Jonas & Lander heraus, und wenn es nach ihnen und ihrem gemeinsamen Stück „Bate Fado“ geht, soll das auch nicht so bleiben. Die Besucher der Deutschlandpremiere beim „tanzmainz“-Festival stimmten dem außergewöhnlichen Vorschlag per Standing Ovations zu.
Irgendwann zu Beginn des 20. Jahrhunderts, so erzählt der Lissabonner Choreograf und Fado-Sänger Jonas, ist dem Fado auf unerklärliche Weise der Tanz abhanden gekommen. In ihrem 100-Minuten-Stück „Bate Fado“ erobert er den Fado für den Tanz zurück. Tatkräftigst unterstützt wird er dabei vom brasilianischen Choreografen und Tänzer Lander; der bringt gleich eine ordentlich Portion Feierlust und eine Prise brasilianischen Karneval mit in die hybride Performance, in der die Grenzen zwischen Konzert und Tanzstück raffiniert aufgelöst werden.
Ausnahmslos alle Protagonisten tragen Stepptanz-Stiefel: Die vier Musiker – die neben akustischen Gitarren auch zwölfsaitige portugiesische Gitarren mitgebracht haben, die ausschließlich gezupft werden – die vier Tänzer*innen, der Fado-Sänger. Sie alle fungieren sozusagen als lebendige Percussions: Der Klang der Füße wird als vielfältiges Schlagzeug eingesetzt. Die Bühne auf der Bühne besteht aus einem stilisierten Musikpavillon, im Hintergrund wartet ein mit schwarz glänzenden Luftballons gespicktes Kreuz (das irgendwie auch an eine überdimensionierte Rebe erinnert) auf den Überraschungseinsatz.
Die erste Überraschung ist allerdings, wie wenig Weltschmerz und wie viel mitreißender Rhythmus diesem „Fado Batido“ innewohnt. Was die übrigen Tanzbewegungen angeht, so lässt natürlich der Flamenco grüßen bis hin zum typischen Zupfen am Oberteil und präziser Fingersprache. Ein großer Unterschied ist allerdings die Rolle der Frauen: Sie haben die Hosen an, wörtlich und in übertragenem Sinn. Ganz ohne erotische Hüftbewegungen und schwingende Röcke demonstrieren sie unerbittliche Stärke mit gelegentlichem bösem Blick … Am Ende überwiegt allerdings die Feierlaune mit einer Reverenz an die afrikanisch-brasilianischen Wurzeln des Fado, denen schon der kürzlich verstorbene legendäre Filmemacher Carlos Saura in seinem Film „Fados“ (2007) auf der Spur war.
Auf der Mainzer Bühne flossen derweil Musik- und Tanzperformance so elegant ineinander, dass man am Ende nicht mehr unterscheiden konnte, wer für welche Kunstdarbietung zuständig war. Alles zusammen erzeugte einen unwiderstehlichen Sog, von dem das Publikum auch nach einhundert Minuten noch lange nicht genug hatte. Man braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um dieser Produktion auch hierzulande einen großen Erfolg vorherzusagen.
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